F0202/18: Umgang mit Wegerandstreifen

In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass einige sich im öffentlichen Eigentum befindliche Wege- oder Ackerrandstreifen in nicht unerheblichem Umfang ganz oder teilweise umgepflügt und landwirtschaftlich genutzt, d.h. als zusätzliche Ackerfläche in Anspruch genommen werden. Doch Ackerrandstreifen ...

20.09.18 – von Timo Gedlich –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

in den letzten Jahren ist zu beobachten, dass einige sich im öffentlichen Eigentum befindliche Wege- oder Ackerrandstreifen in nicht unerheblichem Umfang ganz oder teilweise umgepflügt und landwirtschaftlich genutzt, d.h. als zusätzliche Ackerfläche in Anspruch genommen werden. Doch Ackerrandstreifen (Wegraine) sind ein wichtiger Lebensraum. Dort findet ein lebendiger Artenaustausch statt. Sie dienen zur Vernetzung von Biotopen. Reptilien, Vögel, Säugetiere und Insekten finden hier Nahrung, Wohn- und Nistplätze sowie Deckung. Feldränder stellen u.a. auch Rückzugsgebiete dar, in die viele Tierarten bei Störungen durch Feldbestellung oder Grünlandbewirtschaftung der angrenzenden Flächen Schutz suchen.

Viele Städte und Gemeinden haben die landwirtschaftliche Nutzung der Ackerrandstreifen jedoch stillschweigend geduldet, so dass sich eine Art Gewohnheitsrecht für die Landwirt*innen daraus entwickelt hat. Durch diese Praxis wird jedoch der gesetzlich erforderliche Schutz von Ackerrandstreifen konterkariert.

Paragraph 5 Abs. 2 Nr. 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) legt fest, dass die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselemente zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren sind. Dabei geht es nicht nur um das bloße Vorhandensein verbindender bzw. vernetzender Strukturen, sondern auch um die Erfüllung ihrer ökologischen Funktionen (§§ 1 ff. BNatSchG).

Die Gemeinde als Wegeflächeneigentümerin hat darüber hinaus die Pflicht, den „Vermögensgegenstand" Grundbesitzbesitz „pfleglich" zu verwalten und ihn so zu nutzen, dass das ,,Wohl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner" gefördert wird. Dazu gehören nicht nur materielle Interessen, sondern z. B. auch Erholungswerte. Die Verwaltung darf also im Falle einer widerrechtlichen Zerstörung nicht tatenlos zusehen, sondern muss die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen treffen. Fallen Wegraine jedoch in Privathände, kann der Eigentümer laut § 903 BGB mit der Sache nach Belieben verfahren.

In der Stellungnahme (S0041/16) bezüglich der zukünftigen Bepflanzung der Ränder, von im Eigentum der Landeshauptstadt Magdeburg stehenden Feldwegen mit geeigneten Bäumen und Gehölzen (Beschluss vom 19.02.2015) wird konstatiert:

„In Abhängigkeit der Nutzung der angrenzenden Grundstücke ist die Verwaltung bestrebt, derartige Rest und Splitterflächen, die künftig nicht mehr zur Erfüllung kommunaler Aufgaben benötigt werden, an die angrenzenden Eigentümer zu veräußern bzw. zu verpachten. Sind die an solche Randstreifen angrenzenden Flächen landwirtschaftlich genutzt, wird versucht, diese Randstreifen alternativ zum Verkauf an den landwirtschaftlichen Nutzer zu verpachten. Besitzen stadteigene Wegeflächen selbst keine kommunale Bedeutung, wird die Veräußerung bzw. Verpachtung dieser Wegeflächen (einschließlich etwaiger Randstreifen) an die angrenzenden Eigentümer angestrebt. Durch die Verwertung kommunal bedeutungsloser Feldwege werden Einnahmen generiert und die Landeshauptstadt Magdeburg von den Verkehrssicherungspflichten entlastet."

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:

1. Inwiefern steht das in der o.g. Stellungnahme beschriebene Verwaltungshandeln in Einklang mit dem Bundesnaturschutzgesetz?

2. Welche Erkenntnisse liegen der Verwaltung über das Maß der ‚illegalen‘ Nutzung von in städtischem Eigentum befindlichen Ackerrandstreifen vor?

3. Welche Kontrollen führt die Landeshauptstadt Magdeburg diesbezüglich durch?

a. Falls Kontrollen stattfinden: Wie viele Verstöße wurden in den letzten zehn Jahren festgestellt?

b. Welche Maßnahmen wurden/werden gegen die ‚illegale‘ Nutzung der Ackerrandstreifen ergriffen?

Inzwischen gibt es in einigen Bundesländern Projekte, derartig ‚illegal‘ genutzte Randstreifen verstärkt für den Naturschutz, den Erhalt der Artenvielfalt und die Naherholung zu nutzen, aber auch als ökologische Ausgleichsflächen, etwa für entstehende Eigenheimsiedlungen. Die Rückholung und Nutzung von Streifen an Äckern und Wegen spart städtisches Geld für den Kauf von Ausgleichsflächen.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:

1. Gibt es aktuelle, belastbare Zahlen über das bestehende Potential gemeindeeigener Flächen am Rand von Straßen und Feldern? Wenn ja, um welche Flächenpotential handelt es sich?

2. Welche Vorgaben müssen bei dem Anlegen von Blühstreifen bzw. bei der Bepflanzung mit Sträuchern auf Wegerandstreifen eingehalten werden?

3. Unter welchen Voraussetzungen können Wegerandstreifen auch für Ausgleichs- bzw. Kompensationszwecke eingesetzt werden?

Um ausführliche schriftliche Beantwortung der Fragen wird gebeten.

Timo Gedlich
Stadtrat

Schriftliche Stellungnahme der Verwaltung S0266/19

Kategorie

Anfragen | Stellungnahme | Umwelt