Interview mit Mathilde Lemesle

29.03.23 –

 

Was hat dich politisiert bzw. welches Ereignis hat dazu geführt, dass du dich entschieden hast, für den Stadtrat zu kandidieren?
Ich habe in Magdeburg an der Hochschule Journalismus studiert und zwei Jahren für das Hochschulradio unter anderem über den Stadtrat berichtet. Ich habe mich einfach auf die Besuchertribüne des Stadtrates gesetzt und ich fand die Diskussionen dort total spannend. Magdeburg hat einen sehr lebendigen Stadtrat, in dem sehr viele Sachen, die die Menschen direkt bewegen, ausdiskutiert werden. Das hat mir so richtig Lust gemacht, dann irgendwann auch selber zu kandidieren.

Was sind deine politischen Herzensthemen und warum sollte sich jemand anderes dafür begeistern?
Ostelbien. Mir liegt diese Ecke von Magdeburg sehr am Herzen. Viele denken, Ostelbien: das ist die MDCC-Arena, die Getec-Arena, der Elbauenpark und all solche Spaßsachen und dann wohnen da noch ein paar Leute da. Aber Ostelbien ist ein Ort, an dem noch sehr viel mehr passiert. Ich glaube, hier gibt es noch sehr viel Potenzial, das so langsam wächst. Das möchte ich unterstützen und dafür bin ich im Stadtrat.

Wie würdest du deine Politik in drei Worten beschreiben?
Pragmatisch, konkret und natürlich grün.

Was willst du bis zum Ende dieser Wahlperiode noch unbedingt erreicht haben?
Für mich ist es natürlich noch ein spannendes Jahr, weil ich erst als Nachrückerin im Februar 2022 Stadträtin geworden bin. Für mich ist wichtig, dass die Projekte in Ostelbien auch im Sinne der Anwohnerinnen und Anwohner gut funktionieren. Dazu gehören zum Beispiel der Neubau der Strombrücke und die damit verbundene Neugestaltung des Heumarktes. Ich bin aber auch wirtschaftspolitische Sprecherin und daher wird für mich natürlich auch die Ansiedlung von Intel in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle spielen.

Bitte vervollständige den Satz: Magdeburg 2050 ist…
… eine lebenswerte Stadt, die ihren bisherigen Charakter beibehalten, aber sich weiterentwickelt hat. Ich hoffe, wir leben weiterhin in einer sehr schönen Stadt und der FCM ist dann Champions-League-Sieger!

Nimm uns mal mit: Wie sieht eine normale Woche bei dir aus?
Ich arbeite auch im politischen Bereich: Ich bin Pressesprecherin, genauer gesagt Referentin für Pressearbeit und politische Kommunikation in der grünen Landtagsfraktion. Das unterscheidet sich tatsächlich sehr stark von der ehrenamtlichen Arbeit im Stadtrat. Das sind ganz andere Themen und auch eine andere Art und Weise des Herangehens. Daneben spielt natürlich der Stadtrat eine große Rolle. Die Sitzungen erfordern ziemlich viel Vorbereitung. Ich verbringe manchmal 10 bis 12 Stunden damit, alles zu lesen, weil es sehr viele Themen sind. Dazu kommen die sehr langen Sitzungen, Ausschuss- und Aufsichtsratstermine und Termine in meinem Wahlbereich. Das sind bei mir in Ostelbien dann die GWA-Sitzungen und natürlich auch die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, die mit einem dann Themen besprechen wollen.

Während deines Studiums hast du ja die deutsch französische Gesellschaft wieder neu belebt. Warum braucht eine Stadt solche Initiativen?
Das ist auf mehreren Ebenen wichtig. Magdeburg braucht Internationalität. Am Beispiel Deutschland-Frankreich: Man denkt, dass beide sehr beieinander sind und eigentlich die gleiche Kultur teilen. Aber da gibt es sehr viele Unterschiede. Diese Initiativen bringen die französische Kultur nach Magdeburg und dienen auch als Treffpunkt für Französinnen und Franzosen in unserer Stadt. Das sind leider nicht so viele in Magdeburg, aber es bietet auch den Magdeburgerinnen und Magdeburgern die Chance, in Kontakt zu treten, was ja auch spannend sein kann. Die Partnerstadt mit Le Havre wird vor allem von der deutsch-französischen Gesellschaft am Leben gehalten. Der Verein organisiert zum Beispiel Bürgerreisen und leistet einen wichtigen Beitrag für das Verständnis zwischen den Kulturen. Das ist ganz wichtig, um auch neue Impulse zu bekommen. Wenn man immer in seinem eigenen Umfeld bleibt, dann sieht man nicht, was links und rechts passiert. Dabei helfen solche Vereine, sie brauchen aber auch die entsprechende Unterstützung der Stadtverwaltung.

Ostelbien ist der Standort des Spitzensports in Magdeburg. Was für Herausforderungen bringt das mit sich und was für Chancen ergeben sich daraus?
Magdeburg ist eine Sportstadt und lebt den Sport. Das finde ich so faszinierend, wie sehr sich diese Stadt über den Sport identifiziert. Ich bin nicht gebürtig aus Magdeburg, aber der Sport gehört zu den ersten Sachen, die mich geprägt haben. Mein erstes FCM-Spiel war eine Niederlage, eins zu drei. Ich bin irgendwann aus dem Stadion zur Haltestelle gelaufen, da war das Spiel schon über eine Stunde zu Ende. Aber die Magdeburger Fans haben immer noch gesungen. Ich konnte das erst gar nicht glauben. Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch nicht hier gelebt, sondern war nur zu Besuch. Ich fand das wirklich krass. Daran sieht man, wie wichtig der Sport für den Zusammenhalt der Stadt ist. Es ist aber auch eine große Herausforderung. In Magdeburg verfügt man nicht über die großen Sponsoren und damit Gelder für die Clubs. Daher ist es schwer, sich auf dem Höchstniveau zu halten. Auch die Probleme mit der Infrastruktur in Ostelbien sind eine Herausforderung, aber es gibt den Willen als Stadt, das zu bewältigen und zusammenzuhalten.

Was tut sich Abseits von Fußball und Handball für den Sport in Magdeburg?
Wir stehen ziemlich gut da, denn neben den großen Namen (FCM+SCM) gibt es ja auch in anderen Sportarten große Erfolge, zuletzt im Bereich Schwimmen (Schwimm-Meisterschaften in Budapest). Deshalb ist es wichtig, alle Sportarten zu berücksichtigen und die dazu notwendige Infrastruktur zu schaffen. Wir haben jüngst im Stadtrat entschieden, dass wir eine neue Schwimmhalle für den Spitzensport brauchen, die in Ostelbien gebaut wird. Das macht Sinn in diesem ganzen vorhandenen Sportkomplex. Mit dem Neubau eines Turner-Nachwuchszentrums und andere Sportarten wird weitere Infrastruktur geschaffen. Hier passiert also zum Glück sehr viel. Diese Vielfalt ist schon das Besondere an dieser Stadt.

Du bist als Nachfolgerin von Urs Liebau in den Stadtrat gekommen. Welche deiner Ansichten im Vergleich zu deiner Zeit vor dem Mandatsantritt hat sich verändert?
Ich wusste ungefähr, was auf mich zukommt. Allerdings ist es etwas Anderes, wenn man es dann wirklich macht. Erst dann wird einem die Schwere der Entscheidungen, die man fällen muss, bewusst. Mit diesem kleinen Abstimmungsapparat in der Hand denkt man sich manchmal: “Okay, wenn ich jetzt drücke, bauen wir nicht nur eine Sitzbank in einer Straße, sondern teilweise große Bauprojekte mit riesigen Geldsummen, die man sich als Normalmensch eigentlich nicht vorstellen kann.” Natürlich trifft man Entscheidungen mit der Mehrheit und nicht allein, aber man hat eine Rolle dabei. Daneben sind noch weitere 55 Leute, die auch ihre Entscheidungen treffen. Es hat mich doch überrascht, wie sehr man gefordert ist, sich auf diese Entscheidungen vorzubereiten, um am Ende die eigene Stimme abzugeben.

Was ist spannender: Landtagssitzung oder Stadtratssitzung?
Stadtratssitzung, definitiv! Eine Stadtratssitzung ist etwas sehr Lebendiges und Spannendes. Man weiß nie, wie es ausgeht, und wie viele Debatten es zu einem Thema geben wird. Natürlich gibt es im Stadtrat gibt es Regeln, die bestimmen, wie lange man reden darf und wie sowas abläuft. Es ist aber nicht so institutionalisiert wie im Landtag. Hier redet jeder und jeden drei Minuten, dann gibt es Nachfragen und dann ist es klar, wie es ausgeht, denn es gibt eine Koalitionsmehrheit. Sie bestimmt, wie es ausgeht. Das gibt es im Stadtrat nicht, denn viele Fraktionen sind ähnlich stark und man weiß nie so ganz genau, was dabei herauskommt.  Das macht das mal sehr spannend, wenngleich es für die Verwaltung sicherlich schwieriger ist zu wissen, was durchgeht und was nicht. Aber ich finde, dass es tatsächlich für die Demokratie und für die Bürgerinnen und Bürger wichtig ist, dies zu erleben, und dass sich etwas in der Diskussion wirklich ändern oder zu neuen Aspekten kommen kann. Das finde ich sehr spannend und das schätze ich wirklich am Stadtrat von Magdeburg, auch wenn wir dafür durchaus sehr, sehr lange tagen.

Nantes oder Magdeburg?
Magdeburg

SCM oder FCM?
FCM

Herrenkrugpark oder Wasserfall?
Wasserfall

Für die Fraktion sitzt du im Wirtschafts- und Tourismusausschuss. Wie wird sich die Wirtschaft in Magdeburg mit der Ansiedlung von Intel verändern?
Es wird sich viel verändern. Natürlich kommt nicht nur Intel, sondern auch sehr viele Zulieferer und viele Menschen, die Familien mitbringen, von denen dann auch die Partnerinnen und Partner mitarbeiten werden. Die Ansiedlung wird sehr großen Einfluss auf Magdeburg haben, insbesondere auf die Wirtschaft. Ich glaube, dass alles im Ganzen sehr positiv ist. Trotzdem darf man nicht alles an Intel hängen. Das wäre ein großer Fehler zu sagen, Intel kommt jetzt, wir setzen alles darauf und damit wird alles gut. Das darf nicht passieren. Das heißt, es ist wichtig, auf den guten Mix zu achten. Das wird schon einiges Positives in Magdeburg bewirken.

Was müsste Magdeburg denn noch machen, um international attraktiver zu werden?
Ich glaube, der Schlüssel ist, dass wir als Stadt bekannter werden. Wenn man bisher von Magdeburg spricht, dann heißt es oft: “Noch nie gehört, insbesondere in Westdeutschland, also noch nicht mal international.” Ich glaube schon, dass Magdeburg jetzt öfter in der Presse erwähnt wird. Die Menschen in Deutschland, aber auch international, kriegen auf einmal ein Gefühl für Magdeburg, sie verbinden die Stadt mit etwas. Das macht dann die Stadt für sie interessant.  Wir brauchen Strukturen, die mehr auf Englisch informieren, das ist nun mal die internationale Sprache. Der große Vorteil von Magdeburg ist, dass man hier sehr schnell Fuß fassen kann. Das habe ich als Zugezogene selber erlebt, das empfinde ich als typisch für Magdeburg. Man wird nicht ausgeschlossen, sondern kann seine eigenen Projekte aufbauen. Es wird einem nicht gleich gesagt „Moment mal, wir müssen überlegen und vielleicht in einem Jahr, aber da auch nicht”. Es hängt aber sehr viel am Ehrenamt. Die grundsätzliche Offenheit für Neues ist aber eine gute Voraussetzung für die Internationalisierung.

Wie steht es um Magdeburg als Tourismusziel?
Im Bereich Tourismus hat Magdeburg wirklich viel zu bieten. Das Problem ist, dass das einfach nicht bekannt ist. Und wenn die Leute dann mal vorbeikommen, sehen sie erst, wie lebenswert es hier eigentlich ist. Die Elbe mit ihrer Promenade und die Schrote als Bach in der Stadt. Tatsächlich kriegt man oft gesagt, wie schön es hier ist und dass es sich sehr gut leben lässt in Magdeburg. Natürlich gibt es leider keine richtige Innenstadt, aber es gibt eine sehr gute Infrastruktur, die ausgebaut werden kann. Das Potential ist einfach da. Ich sehe die Unterschiede in den 15 Jahren, seit ich hierhergekommen bin, und da bin ich zuversichtlich.

Was machst du in deiner Freizeit?
In meiner Freizeit mache ich gerne Zumba®. Ich bin auch lizenzierte Zumba®-Trainerin. Ich komme nicht mehr so oft dazu, Kurse zu geben, aber selber als Teilnehmerin ist es schön, sich mal ein bisschen zu bewegen. Ansonsten natürlich den 1. FC Magdeburg, da bin ich bei jedem Heimspiel dabei. Ich habe eine Dauerkarte und feuere von der Nord-Tribüne dann lautstark die Mannschaft an.

Hast du noch ein Geheimtipp für Ostelbien?
Das ist eigentlich kein Geheimtipp, aber ich kann nur jeder und jeden ermuntern, einmal ein Heimspiel vom FCM zu erleben. Das ist etwas, das vergisst man nicht, und das muss man erlebt haben.

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Presse