Haushaltsrede zum Haushalt 2024 von Kathrin Natho

11.12.23 –

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,            

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

Geschätzte Beigeordnete und Stadtratskolleg*innen,

Liebe Magdeburgerinnen und Magdeburger,

Heute Abend müssen wir es schaffen, einen Haushalt zu verabschieden, der zwar nicht ausgeglichen – aber solide ist. Wir müssen es schaffen, um das Recht auf Selbstverwaltung nicht zu verlieren. Das Recht mit eigenen Haushaltsmitteln unsere Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln und zu priorisieren. Dieses hohe Gut sollten wir nicht aufs Spiel setzen und dafür als demokratische Parteien auch an der einen oder anderen Stelle Kompromissbereitschaft zeigen.

Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt und wir so am Ende dem Haushalt zustimmen können.

Deshalb, so sei vorweggenommen, werden wir einen Großteil der Konsolidierungsvorschläge der Oberbürgermeisterin, auch wenn sie zum Teil schmerzlich sind, mittragen.

In der gegenwärtigen Situation gilt es Ausgaben zu minimieren, Einnahmen zu erhöhen und die Spielräume, die wir haben nach bestem Wissen und Gewissen zu nutzen.

Denn Belastungen für den kommunalen Haushalt entstehen auch aufgrund von Entscheidungen auf Land- oder Bundesebene: Das zeigen beispielhaft die ausfallenden Fördermittel für den Neubau des Strombrückenzuges. Die fehlenden zusätzlichen 90 Millionen Euro belasten den Magdeburger Haushalt stark.

Aber auch die gestiegenen Aufwendungen für Personal müssen und wollen wir im Haushalt abbilden. Dabei fehlt es gleichzeitig an Fachkräften, sodass die personelle Situation, besonders in der Sozialverwaltung angespannt ist.

In den letzten zwei Jahren wurden viele sozialpolitische Gesetzesänderungen seitens der Bundesregierung auf den Weg gebracht. Die Ausreichung dieser Sozialleistungen wird derzeit durch die Sozialverwaltung der Stadt mit sehr langen Wartezeiten beschieden und in Folge dessen auch viel zu spät ausgezahlt. Für viele Menschen ist das existenzbedrohend.

Aktuell sind viele Stellen im Sozial-, Wohn- und Jugendamt der Landeshauptstadt nicht besetzt. Einige davon sind auch von der vorübergehenden Besetzungssperre von vakanten und freiwerdenden Stellen bis zum Ende des Jahres 2024 betroffen. Auch mittelfristig wird es schwierig sein, geeignetes Fachpersonal zu finden. Es ist daher zwingend erforderlich, verstärkt technische Lösungen im Rahmen der Digitalisierung zu entwickeln und so Mitarbeitende zu entlasten bzw. für qualifiziertere Tätigkeiten einzusetzen, bei denen es keine technischen Lösungen gibt oder persönlicher Kontakt erforderlich ist.

Die im Frühjahr 2023 mehrheitlich beschlossene Fachförderrichtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung gesundheitsbezogener Projekte in ist ein echtes Bekenntnis der Stadt zu den Angeboten der Suchtberatung und - prävention seitens der freien Träger. Allerdings war bereits bei Beschlussfassung klar, dass der Aufwand für die Projekte zu gering angesetzt wurde. Wenn wir die neue Fachförderrichtlinie als notwendig für die Aufgabenerfüllung gemäß Konzept zur Suchbekämpfung und -prävention anerkennen, dann muss sich dies spätestens ab 2024 auch in der Erhöhung der Zuwendungen niederschlagen.

Die Pläne des Landes, wonach Schulsozialarbeit zu 20% aus Mitteln der Kommune finanziert werden sollen, waren Anlass zur Sorge. Diese Pläne, ohne Beteiligung der Kommunen beschlossen, führen zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung des städtischen Haushaltes und greifen damit auch in die kommunale Selbstverwaltung ein.

Wir fordern das Land auf, die dringend benötigte Schulsozialarbeit langfristig so zu fördern, dass den Kommunen keine Kosten entstehen. Ziel muss es sein, Schulsozialarbeit dauerhaft und kontinuierlich an jeder Schule vorzuhalten. Die von der Stadt erarbeitete Prioritätensetzung hinsichtlich des Bedarfs ist anzuerkennen und zu verstetigen. Wir brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität für die Kinder und Jugendlichen und Planbarkeit für die Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen!

Lassen Sie mich nun auf einige Beratungsgestände der heutigen Sitzung gesondert eingehen:

Die Aufrechterhaltung eines finanzierbaren Haushaltes heißt auch versteckte und oft historisch gewachsene Subventionen abzubauen. Mit der Einführung der Beherbergungssteuer wollen wir, wie viele andere Städte es bereits tun oder planen, auch Tourist*innen an dem gezielten Ausbau einer nachhaltigen, touristischen Infrastruktur beteiligen. Dies trägt zur gerechteren Verteilung der Kosten bei und entlastet den angespannten städtischen Haushalt. Zudem sind wir davon überzeugt, dass Besucherinnen und Besucher ihre Entscheidung welche Stadt sie besuchen, nicht von einer Beherbergungsgebühr abhängig machen.

Gleichwohl frühere Entscheidungen des Stadtrates in Frage gestellt werden dürfen, werden wir den vorgeschlagenen Verschiebungen oder gar Aufhebungen von Maßnahmen nicht zustimmen. Diese Liste von etwa 40 Anträgen werden wir alle ablehnen. Zum einen sind es Maßnahmen die wir z.T. noch gar nicht beschlossen haben und sie kosten uns Zeit und vor allem Vertrauen. Wer kann denn bitte Beschlüsse des Rates noch ernst nehmen, wenn wir sie am Ende des Jahres alle wieder einkassieren?

Zustimmen werden wir der moderaten Anpassung der Entgeltordnungen und auch einem erhöhten Hebesatz für die Grundsteuer B. Liebe Stadträtinnen und Stadträte, auf der Einnahmenseite hat die Stadt nur begrenzte Möglichkeiten, und die Anpassung des Hebesatzes ist eine solche. Und sie trifft trotz aller Vorbehalte, alle Bürger*innen gleichermaßen – wenn auch nicht gleich gerecht. 

Wer sich den „Luxus“ einer großen Wohnung oder eines großen Hauses leisten kann, der wird mehr belastet als beispielsweise Menschen in kleineren Wohnungen. Natürlich wirkt diese Steuer hinsichtlich des sozialen Aspektes nicht so zielgenau wie wir uns das wünschen würden, denn auch Familien mit Kindern brauchen große Wohnungen, ohne wohlhabend zu sein. Insofern sind auch wir, wie wohl die meisten hier im Hause, nicht glücklich über diese Anpassung, aber wir werden sie mittragen. Dank eines am Donnerstag verabschiedeten Antrages der Fraktion die Linke werden wir über die Auswirkungen der Änderung der Bemessungsgrundlagen beraten können. Dieses Signal möchte ich heute von hier aussenden: wir werden die Auswirkungen der Hebesatzanpassung im Blick haben und ggf. im nächsten Jahr nachschärfen. Der Hebesatz gehört jedes Jahr auf den Prüfstand.

Vielleicht ist die Zeit knapper Kasten aber auch eine Chance, um zum Beispiel in Infrastruktur zu investieren, die uns weniger kostet und die wir uns auch langfristig leisten können.

Herr Stern, sie sind der Dienstälteste Stadtrat und betonen des Öfteren die Weisheit der Altvorderen, auch mit Blick auf den Magdeburger Ring. Dem kann ich mich gut anschließen. Aber was würden die Altvorderen uns heute raten? Welche Investitionen im Verkehrsbereich sollten wir heute planen, damit sie den Ansprüchen der nächsten Generationen entsprechen? Und wie werden sich Mobilitätsbedürfnisse und Bedarfe in Zeiten von Digitalisierung und Home-Office entwickeln?

Ein weiterer Schwerpunkt auf den Individualverkehr scheint uns wenig phantasievoll. Besonders vor dem Hintergrund der drohenden hohen Kosten für den Erhalt des Magdeburger Rings. Etliche Brücken sind ein Sanierungsfall. Deshalb sollten wir die Verkehrswende nicht nur als klima- und umweltpolitisches, sondern auch als finanzpolitisches Projekt verstehen. Mit kleinen Investitionen in den Umweltverbund entlasten wir effektiv die Infrastruktur für den Autoverkehr, ermöglichen ihr somit längere Nutzungszeiten und verringern gleichzeitig Staus. Oder anders gesagt: eine weniger aufwändige Infrastruktur für den Individualverkehr wäre eine der besten Maßnahmen, unseren Haushalt zu sanieren.

Diese - unsere Stadt hat einen attraktiven Umweltverbund verdient! Und nicht nur in Form von Beschlüssen! Stattdessen zaubern wir in einer der letzten Sitzungen magische Bundes- und Landesfördermittel für die Planung einer weiteren Brücke herbei.

Stolz bin ich, dass es mit dem Magdeburger Schüler*innen Ticket ein kostenloses bzw. stark ermäßigtes Ticket für den Nahverkehr gibt – und das rund um die Uhr und auch in den Ferien. Da wehte durch den hohen Rat wohl ein Geist der Weisheit.

Beim Radverkehr hingegen muss man vor allem zum Fazit kommen, dass die Stadtverwaltung über ein Jahr nach dem wegweisenden Beschluss zur Radverkehrsförderung ihrem Auftrag nicht nachgekommen ist. Die vom Stadtentwicklungsdezernat vorgelegten Zahlen sind geschönt oder zumindest besorgniserregend fehlerhaft. Die Ausbauziele wurden verfehlt und auch die beschlossene Übersicht zum Stand der Radverkehrsmaßnahmen, die zu den Haushaltberatungen hätte vorgelegt werden müssen - fehlt. Enttäuscht sind wir auch, dass die hart erkämpfte Stelle eines hauptamtlichen Fuß- und Radverkehrsbeauftragten vorerst unbesetzt bleiben wird. 

Für 2024 muss gelten, nutzen Sie diese Chance, mit geringem finanziellen Risiko und hohen Fördermittelanteilen, die Radverkehrsförderung endlich umzusetzen.

Liebe Stadträtinnen und Stadträte, eine Stadt, in die man mit dem Auto von Westen durch einen 200 Mio €-Tunnel fährt und demnächst von Osten über einen 200 Mio€ Brückenzug, eine solche Stadt darf auch für das Parken einen kleinen Obulus erheben. Mit der Anpassung der seit den 90igern künstlich niedrig gehaltenen Parkgebühren verringern wir die kommunalen Kosten für das Bereitstellen und Unterhalten von Parkplätzen. Und damit leisten wir auch einen kleinen Beitrag zur Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplanes.

Das bekannte Millionengrab in der Innenstadt, in Form des City Tunnels wird uns weiterhin finanziell belasten. Wir werden allerdings darauf achten, dass die überfällige Begrünung der Tunneloberfläche nun nicht doch noch der Kürzungsschere zum Opfer fällt.

Denn Magdeburg hat schon ein Defizit von über 71.000 Bäumen. Diese Tatsache sollte uns allen zu denken geben. In diesem Zusammenhang freut es mich aber, dass die zivilgesellschaftlichen Initiativen, der Gartenbetrieb und das Umweltamt in ihren gemeinsamen Anstrengungen für ein grünes Magdeburg stärker zusammenarbeiten. Dieser kooperative Ansatz ist ein Schritt in die richtige Richtung, um das Baumdefizit in Magdeburg zu verringern.

Trotz dieser positiven Entwicklungen sind wir besorgt über den Vorschlag, 50.000 Euro bei den Baumnachpflanzungen einzusparen. Bäume sind kein „nice to have“, sondern erfüllen eine essenzielle Rolle für das ökologische Gleichgewicht, das Mikroklima und das Wohlbefinden unserer Stadt. Investitionen in die Nachpflanzung von Bäumen sind eine Investition in die Zukunft. Sie tragen zu einer lebenswerten Umgebung für die Einwohnerinnen und Einwohner bei.

Zu einer lebenswerten Stadt gehört auch ein vielfältiges Kulturangebot.

Es ist absurderweise immer noch so, dass der Kulturbereich zu den freiwilligen Aufgaben gehört und mit als Erstes ins Visier genommen wird, wenn Sparzwänge die Kommunen einholen.

Trotz der leeren Kassen halten wir es für unabdingbar, mindestens den kulturellen Status Quo abzusichern. Das umfasst einerseits eine auskömmliche Finanzierung der städtischen Kulturinstitutionen, andererseits die Fortschreibung der Finanzierung für Projekte der freien Kultur, der Subkultur und der soziokulturellen Zentren. Denn Kultur als Resonanzboden ist unverzichtbar für eine Stadtgesellschaft.

Wir wollen auch den Studierenden Räume des kulturellen und sozialen Austausches bieten. Darum hoffen wir, dass die städtische Unterstützung der Projekte in:takt und schauwerk auch heute wieder eine Mehrheit finden. Beide Projekte erhalten zusammen weniger Geld als uns die Eröffnungsfeier des Tunnels gekostet hat. Hier zu kürzen würde ein fatales, kaum erklärbares Signal an die jungen Menschen in unserer Stadt senden.

Gleiches gilt für die Weiterförderung des Netzwerkes Freie Kulturszene. Städtische Institutionen, wie beispielsweis das Theater Magdeburg oder das Puppentheater, haben in den vergangenen Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet und besitzen überregionale, ja sogar europaweite Strahlkraft.  Aber auch die sogenannte freie Kulturszene spielt eine immens wichtige Rolle: Dort werden die Themen aufgegriffen, die die Menschen vor Ort beschäftigen. Eine besondere Rolle spielen auch soziokulturelle Begegnungsorte in Zeiten, die generell herausfordernd sind. Deswegen müssen gerade unsere soziokulturellen Zentren weiterhin auskömmlich finanziert werden!

Nachdem wir mit Hyparschale und Stadthalle Millionen in die Gebäudehüllen unserer Kultureinrichtungen investiert haben, sollten wir nicht denen die Grundlage entziehen, die sie mit Leben füllen. Mit diesen vergleichsweise kleinen Einsparungen erreichen wir im Haushalt finanziell wenig, zerstören inhaltlich aber Vieles.

Dennoch, kulturell müssen auch jetzt schon viele Einbußen verkraftet werden, weil Projekte zurückgestellt werden. Es betrifft Pläne aus der Kulturstrategie ebenso wie das Neuaufstellen von Einrichtungen wie VHS/ Stadtbibliothek zu einem sogenannten dritten Ort. Viele dieser Ideen rücken durch den Sparzwang in weite Ferne. Wir halten es trotzdem für wichtig, kulturelle Zukunftsszenarien planerisch weiter voranzutreiben und dann bereits konkretisiert zu haben, wenn sich die finanzielle Lage gebessert hat.

Auch die kommenden Haushalte werden eine Herausforderung sein. Wir werden noch genauer abwägen und besser priorisieren müssen, wofür Geld bereitgestellt wird und wofür nicht. Das heißt aber nicht, dass wir nicht gestalten können.

Mit den Investitionen im Zusammenhang mit dem Großprojekt Intel ergeben sich aktuell viele finanzielle Belastungen, wenngleich auch ganz neue Möglichkeiten für die Zukunft.

Lassen Sie uns gemeinsam in ein lebenswertes Magdeburg investieren, dass kreativ, produktiv und grün bleibt. Ich bin überzeugt, dass entscheidet sich nicht nur daran, ob wir die großen Investitionen tätigen, sondern vor allem auch daran, ob wir im Kleinen in die richtigen Maßnahmen investieren.

Es gilt das gesprochene Wort.