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07.12.20 –
Fraktionsvorsitzende Madeleine Linke
Redebeitrag SR-Sitzung am 07.12.2020 zum Haushalt 2021
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Vorsitzender,
liebe Kolleg*innen,
2020, was für ein Jahr. Die Corona-Pandemie und -Krise sowie deren Auswirkungen haben das Jahr maßgeblich bestimmt. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie waren nötig, haben aber auch zu massiven Einschnitten in das gesellschaftliche Leben und Wirtschaften, die Situation vieler Erwachsener und Kinder Zuhause und natürlich auch den kommunalen Haushalt geführt.
Dem Nachtragshaushalt für 2020 ist zu entnehmen, dass der benötigte Liquiditätskredit zwar genehmigt aber allerdings nicht ausreichen wird. Weitere mindestens 87 Mio. € werden bis März 2021 gebraucht, um die notwendigen Corona-Maßnahmen finanziell abzufedern.
Dennoch finden wir, dass die erhöhte Kreditaufnahme für die Stadt aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen ein lösbares Problem für die Stadt ist um Infrastruktur zu erhalten, aufzuwerten und neue aufzubauen. Wenngleich das bestehende HH-Defizit von mehr als 30 Mio. € in jedem Fall ernst einmal vorhanden ist.
Die Zahlen machen deutlich, dass es mehr denn je darauf ankommt, die vorhandenen Gelder so einzusetzen, dass sie zwar sparsam, aber effizient und vor allem bei denen ankommen, die sie am nötigsten brauchen. Den Bürger*innen und Einwohner*innen dieser Stadt. Insbesondere bei denen, die ihren Lebensunterhalt in der aktuellen Krise nicht aus eigener Kraft bestreiten können. Gemeint sind die Akteur*innen in der freien Kultur, der Clubszene und Unterhaltungsbranche die seit langer Zeit kein oder kaum Einnahmen haben. Hier geht es um die nackte Existenz und darum alles nicht nächstes Jahr wieder mühsam neu aufbauen zu müssen.
Wir wünschen uns hier, aber auch im Bereich der belebten Innenstadt, eine dezernatsübergreifende Zusammenarbeit und kein Ressortdenken. Diese Zusatzkosten können nicht allein aus dem Budget des Kulturdezernates aufgebracht werden.
Es müssen auch Maßnahmen auf den Prüfstand, die bereits beschlossen sind, wie z.B. die Gelder für Grundstücksankäufe am Eulenberg in Höhe von 10 Mio. €.
Wie würde der Haushalt aussehen hätten alte weiße Männer damals nicht das Bauprojekt rund um die Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee beschlossen bzw. wie sähe der Haushalt aus, wenn ab heute die Bagger still stehen? Für Viele sicherlich nur ein Gedankenspiel aber wir müssen uns schon fragen welche langfristigen Auswirkungen Grundsatzbeschlüsse und Investitionen in diesem Ausmaß für den städtischen Haushalt aber auch die Mobilität unserer kommenden Generation haben – denn solange wirken solche „Betonprojekte“ nach.
Weitere Einsparpotentiale bzw. Deckungsquellen sehen wir beim Aussetzen von HH-Mitteln für den Grunderwerb zum Flughafen. Zu prüfen wäre auch aus unserer Sicht die Zusammenlegung städtischer Gesellschaften, wie z.B. von AQB und GISE.
Vielleicht haben sich einige von Ihnen gewundert, weshalb wir die seit Jahren von uns immer wieder geforderte Stelle einer Radverkehrs- bzw. Mobilitätsbeauftragung in diesem Jahr nicht beantragt haben. Nach wie vor sind wir der Auffassung, dass die Stadt eine solche Stelle dringend benötigt. Dies erst recht, da der Radverkehr gerade auch durch Corona in diesem Jahr massiv zugenommen hat und eine anteilig gerechte Nutzung des Straßenraumes mehr denn je erforderlich ist. Die Debatte um den Radweg beim Tunnelneubau aber auch die Debatte um die Evaluation der Fahrradstraße haben einmal mehr gezeigt, dass die Interessen der sogenannten schwachen Verkehrsteilnehmenden schnell hinten angestellt werden. Auch der Fahrplan für die Herstellung der Barrierefreiheit von ÖPNV-Haltestellen sowie der fehlende Bevorzugung der Straßenbahn bei den Lichtsignalanlagen zeigt die Prioritätensetzung der Verwaltung auf!
Wir werden zu diesen Themen immer wieder zurückkommen, aber uns sind auch andere Dinge wichtig, die beispielsweise eigentlich längst Beschlusslage waren. Das kostenlose Schüler*innenticket war für uns Bedingung um den Haushalt nicht abzulehnen. Dieser Beschluss wurde vor der großen Krise getroffen, und Verlässlichkeit ist ein hohes Gut, also auch Verlässlichkeit im Sinne, dass wir zu unseren Beschlüssen stehen und diese nicht nach Haushaltslage ändern. Die fehlenden Verhandlungen und die späte Einbringung der Drucksache mit dem Versuch das Ticket auszubremsen haben uns erzürnt. Wir sind sehr froh, dass wir zusammen mit anderen Fraktionen über einen Kompromiss die Realisierung in 2021 erwirken konnten, wenngleich leider später als von uns allen erwünscht. Diese Hinhalttaktik lassen wir uns nicht länger gefallen!
Ein Beschluss der vom Stadtrat positiv verabschiedet wurde aber immer wieder sowohl von der Verwaltung aber auch beschließenden Fraktionen vergessen wird, ist der zur Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2035. Wir warten nach wie vor auf Strategien sowie Maßnahmen um dieses Ziel zu erreichen. Wir haben diverse Vorschläge gemacht – nun müssen wir uns alle ein Stück bewegen.
Aber viele Projekte in dieser Stadt brauchen Jahre. Die Machbarkeitsstudie zu den Radschnellverbindungen ist so eine. Es ist für uns elementar, dass in 2021 bereits zwei Trassen vorgeplant werden damit die Menschen, welche sich ausführlich Online beteiligt haben, noch 2022 erste Trassen in echt zum Pendel- sowie Freizeitverkehr nutzen können!
Aber es geht auch nicht immer nur um von uns initiierte und unterstützte Projekte. Manchmal geht es z. B. auch um Gewerbegebiete. Wir waren nie für die Versieglung von wertvollem Bördeboden zugunsten eines Gewerbegebietes am Eulenberg. Wir haben sogar dagegen gestimmt. Nun liegt es jedoch in der Verantwortung aller Beteiligten an einen Tisch zu kommen und gemeinsam ganzheitlich zu planen. Gewerkschaften, Umweltverbänden, Verkehrsbetriebe, Arbeitgeber- und -nehmer*innen. Für einen zukunftsfähigen und der Nachhaltigen Entwicklung verpflichteten Wirtschaftsraum sollten wir jetzt alle an einem Strang ziehen.
Der Masterplan 100% Klimaschutz ist die Basis für unsere städtischen Bemühungen zu Klimaschutz und -anpassung. Leider ist dieser erstmal nur Papier und führt kaum zu Maßnahmen. Ein Beispiel: Der Vergabeausschuss soll über diverse Leasingverträge für Fahrzeuge entscheiden. Statt auf kleine Fahrzeuge mit Elektromotor zu setzen wird nach wie vor an überdimensionierte Verbrennern festgehalten und Erdgas-Fahrzeuge als Lösung aufgezeigt. Als Begründung wird die fehlende Ladeinfrastruktur angeführt. Liebe Stadt wir haben ein Henne-Ei-Problem und wollen scheinbar ähnlich wie beim Ökostrom nicht als Vorbild voranschreiten! Mal schauen ob unser Beschluss zur Ausstattung der kommunalen Liegenschaften in Zukunft mit Photovoltaik, Solarthermie oder Gründach früher Früchte trägt oder ob auch dieser wieder langfristig ignoriert wird.
In den letzten Jahren hat die Wahrnehmung der Verwaltung in Bezug auf die Bedeutung städtischen Grüns sowohl für das Klima wie auch die Naherholung deutlich zugenommen. Wir als Ratsfraktion Grüne/future! haben zu diesem Themenkomplex viele Anträge und Anfragen dazu im Stadtrat initiiert. Unser Hauptaugenmerk richtete sich dabei vor allem auf den Erhalt des vorhandenen Stadtgrüns, der Bäume, Parks und Kleingärten in der Stadt. Außerdem auf Maßnahmen, die den Abgang insbesondere von Bäumen durch die anhaltenden Hitze- und Dürreperioden, vermehrte Stürme, das Hochwasser 2013, Großbaumaßnahmen und den ALB-Käfer ausgleichen. Prioritär ist dabei für uns die Bepflanzung von Baum-Fehlstellen, die Ahndung von nicht genehmigten Baumfällungen und auch von nicht umgesetzten Auflagen und die Schaffung eines allumfassenden Baumkatasters.
Die zahlreichen Aktivitäten von Baumoffensive bis Wiederbepflanzungskonzept „Otto bäumt sich auf“ sind wichtige Schritte, um die Baumverluste zu ersetzen. Allerdings müssen weitere Maßnahmen folgen, in deren Ergebnis eine große Anzahl von Bäumen zusätzlich gepflanzt werden. Dazu zählt auch die Ausweisung von Flächen für Baumhaine. Nur so können die Verspechen in Bezug auf das nötige Grün in allen Stadtteilen eingehalten werden. „Otto bäumt sich auf“ braucht noch klare Finanzzusagen! Leider wurden die Mittel die wir für Gebäudebegrünung für das Jahr 2020 forderten nicht eingesetzt. Wir erwarten, dass 2021 die ersten Maßnahmen umgesetzt werden. Wir begrüßen es, dass die Stelle zur Baumpflanzkontrolle endlich besetzt wurde. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen beim Erhalt des Stadtgrüns sind nach unserer Auffassung auch weitergehende Strukturen notwendig. Wir fordern perspektivisch die Wiedereinführung eines Grünflächenamtes. Planung, Schaffung und Pflege von Stadtgrün ist eine kommunale Aufgabe und Grünflächenämter DIE Kompetenzzentren für dieses Aufgabenspektrum. Neben den eben genannten Aufgaben zählen dazu auch Biodiversitäts- und Naturschutzaufgaben, Stadtklima sowie Kommunikation mit den Einwohner*innen und Initiativen.
Wir danken auch ausdrücklich allen Einwohner*innen die im Rahmen von „Mein Baum für Magdeburg“ oder dem Baumscheibenprogramm aktiv wurden. Das Projekt „Otto planzt“ geht nochmal einen Schritt weiter und möchte 242.000 Bäume pflanzen. Wir freuen uns sehr, dass die Stadtverwaltung mit Know-How und Flächen unterstützt – dies ist jedoch nur zusätzlich zu sehen. Die Stadt darf sich auf dieser ehrenamtlichen Leistung nicht ausruhen, sondern muss auch selbst endlich genug Nachpflanzungen und Ausgleichsmaßnahmen durchführen, einfordern und finanzieren.
Am Donnerstag haben wir Richtung und Standorte von Investitionen im Schulbereich mit großer Mehrheit bestimmt. Wir stellen aber auch fest, dass im Haushaltsentwurf für die dringend notwendigen Schulbauten nicht einmal Planungsmittel eingestellt sind. Der im Finanzausschuss bestätigte Änderungsantrag des BSS Nr. 2 über 200.000 € muss heute durchkommen und eigentlich muss die Verwaltung jetzt noch eine Schippe rauflegen.
Wir erwarten, dass nun die notwendige Vorplanung in Angriff genommen wird.
Die von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, in die Welt gesetzten Kosten von 80 Mio.€ sind nicht für die eine Schule erforderlich, aber wir gehen durchaus davon aus, dass in den nächsten 3 Jahren in dieser Größenordnung für den Neubau von Schulen tatsächlich Mittel reserviert werden müssen, die im Haushaltsentwurf noch nicht verankert sind. Auch die Grundschul- und Förderschulennot ist noch nicht gänzlich beseitigt. Hier müssen die Planungen endlich in die Wege geleitet werden.
Lieber Herr Zimmermann, in fast jeder Sitzung wird über Kostensteigerungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro entschieden. Sie wissen sicherlich besser, zu welchen Aufwüchsen es insgesamt gekommen ist. Ich sage es ganz ehrlich – Wir sind es leid alle paar Wochen diverse Kostensteigerungen durchzuwinken – man fühlt sich regelrecht erpresst. Egal ob Tunnel, Sporthalle oder Brücke, wenn wir beim Grundsatzbeschluss schon gewusst hätten welche Kostensteigerungen uns erwarten – hätten wir so manches Projekt sicherlich nicht beschlossen. Für die Zukunft wünschen wir uns realistischere Einschätzungen und lieber weniger, dafür aber strategische Investitionen im Einklang mit unseren Beschlüssen von Rahmenplänen wie Masterplan, Verkehrsentwicklungsplan oder Rahmenplan Innenstadt.
Trotzdem ist der Haushalt am Ende des Tages doch oftmals besser, als ursprünglich geplant. Wir haben ja gerade am Donnerstag den Abschluss des Jahres 2019 im Stadtrat beschlossen, und trotz der vielen Kostensteigerungen gab es ein deutlich positives Ergebnis. Irgendwie reibt man sich als ehrenamtlich arbeitende Stadträt*innen da verwundert die Augen: Man macht einen Plan, im Laufe des Jahres wird alles teurer, und trotzdem hat man am Ende noch Geld übrig. Das passt irgendwie nicht zusammen. Lieber Herr Zimmermann, wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie mit Ihrer haushälterischen Vorsicht in den letzten Jahren gute Jahresabschlüsse vorlegen konnten, trotz immer steigender Kosten. Aber wenn wir als Stadträt*innen maßvoll Akzente setzen wollen, deren finanzielle Auswirkungen sich im Rahmen der Messungenauigkeit dieses Haushaltes bewegen, sollten weder Sie noch andere Fraktionen uns dies vorwerfen. Wenige hunderttausend Euro sind nichts im Vergleich zu den Millionen für Tunnel, Eulenberg oder Sportinfrastruktur-Grundsatzbeschlüssen in 2020. Insgesamt gesehen ist festzustellen, dass wir als Stadtrat wenig Gestaltungsspielraum haben, ein Zustand, der sich angesichts der angespannten Finanzlage in Corona-Zeiten noch verschärft hat.
Der Haushalt ist für viele insbesondere Einwohner*innen „ein Buch mit 7 Siegeln“. Intransparent, nicht barrierearm und einige HH-Positionen haben große Schwankungsbreiten von Jahr zu Jahr. Hier wünschen wir uns mehr Transparenz und mehr Aufklärung, woher diese Schwankungen kommen und was sich dahinter verbirgt. Wenn Sie wollen, dass auch alle Einwohner*innen den Haushalt verstehen und nachvollziehen können, sollten Sie es mal mit einfacher Sprache versuchen.
Wir sind der Auffassung, dass der Stadtrat (und nicht die Verwaltung) die Eckpunkte des Haushaltes vorgeben sollte. Wir erleben immer wieder, dass Geld vorhanden ist, wenn die Verwaltung welches braucht z. B. für die Eigenmittel der Bobanschubbahn oder die Planungs- und Grundstücksausgaben für den Eulenberg. Wenn der Stadtrat jedoch Dinge voranbringen und gestalten möchte, die sogar mehrheitlich gewollt sind, wie zuletzt beim kostenlosen Schüler*innenticket, dann werden unrealistische Zahlen benannt und aufgezeigt was alles nicht geht. Wir brauchen stattdessen eine Verwaltung die aufzeigt wie etwas möglich gemacht werden kann, die gemeinschaftlich nach Lösungen sucht und transparent Geldquellen aber auch Informationen teilt. Unser Vertrauen wurde 2020 mal wieder hart auf die Probe gestellt. Wir hoffen in 2021 trotz Wahljahr auf eine gute Zusammenarbeit und wertschätzende Kommunikation sowie ein lösungsorientiertes Verhalten auf allen Seiten.
Wir haben früh kommuniziert – ohne Schüler*innenticket kommt es zu einer Ablehnung des Haushaltes. Nun ist es beschlossen und wir können je nach Verhalten auf unsere Änderungsanträge entscheiden ob wir dem Haushalt zustimmen oder uns enthalten.
(Es gilt das gesprochene Wort.)
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