Jürgen Canehl zur Kostensteigerung der Eisenbahnüberführung Ernst-Reuter-Allee

05.11.20 –

Stadtrat Jürgen Canehl
Redebeitrag SR-Sitzung am 05.11.2020 zu TOP 5.19 DS0338/20 Ausbau Eisenbahnknoten

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Vorsitzender,
liebe Kolleg*innen,

wie konnte es zu dem Debakel kommen?

Der damalige Bau- und Verkehrsminister Dr. Karl-Heinz Daehre begleitet vom Ingenieurbüro Setzpfandt überzeugte 2004 erst die CDU, dann den Beigeordneten Werner Kaleschky und abschließend Sie Herrn Oberbürgermeister, dass mit einer 4 spurigen Tunnellösung, die nicht mehr kosten sollte als die Nullvariante, eine optimale Erneuerung der Bahnbrücken gelingt.

Fast 15 Jahre später stehen wir vor einem Scherbenhaufen.

  • Die Kosten haben sich von rund 30 auf 211 Mio. Euro versiebenfacht.
  • Die Innenstadt und Stadtfeld wurden jahrelang gebeutelt.

Ich denke, es ist mir erlaubt festzustellen, dass wir Grünen und future! hier jahrelang gewarnt haben. Aber auch engagierte Sozialdemokraten, u.a. der frühere Stadtratsvorsitzende Falko Balzer und der ehemalige Fraktionsvorsitzende Rainer Löhr.

Nun zum Ergebnis des größten Investitionsprojektes nach der Wende:

  • Die Straßenbahnhaltestelle „Kölner Platz“ ist sicher ein Gewinn. Dass man 36 Stufen bewältigen muss und weder eine Rolltreppe hat, noch wie früher Aufzüge, schmälert aber den Nutzen.
  • Hohe LKW könnten demnächst durch den Tunnel fahren. Das will aber eigentlich keiner, weil es die Aufenthaltsqualität der Innenstadt mindern würde. Die Durchfahrthöhe von 4,50 m war angeblich rechtlich erforderlich.
    Hoffen wir, dass die Verkehrsbehörde ein Durchfahrtsverbot für große LKW anordnen wird, wie bei einer GWA-Sitzung in Stadtfeld-Ost zugesagt wurde.
  • Dass es so wie früher an der Ampelanlage an der Weinarkade weiterhin Staus geben wird, ist sonnenklar. Allerdings stehen die Autos demnächst auf der Tunnelrampe. Das heißt „Anfahren am Berg“.
  • Versprochen war eine Verbesserung für Fuß- und Radverkehr. Abgesehen davon, dass die Ausgestaltung der Nullebene und des Kölner Platzes u.a. aus Kostengründen weit hinter dem städtebaulichen Wettbewerb zurückbleibt, gibt es für den Fuß- und Radverkehr ein Riesenproblem. An der Nordseite des City Carrés wird mit einem 1 m breiten Radweg und einem Fußweg, der mehrere Engstellen mit 130 cm aufweist, ein neuer Missstand gebaut.
    Gemäß der letzten mir zugänglichen Zählung aus 2002 ist die West-Ost-Verbindung die zweitstärkste Radverbindung in der Stadt. Schon vor fast 20 Jahren fuhren unter den Eisenbahnbrücken in 24 Stunden 2.287 Radfahrer*innen. Heute ist der Radverkehr wahrscheinlich in Magdeburg mehr als doppelt so stark.
    Wenn Sie dort Schilder aufstellen „Gehweg Radfahrer frei“, haben die Radfahrer den Schwarzen Peter. Nicht nur, dass sie maximal 7 km/h fahren dürfen. Nein, sie haben auch die Verantwortung, wenn ihnen ein Fußgänger ins Rad läuft. Das ist völlig inakzeptabel. Es ist nicht auszuschließen, dass dies gerichtlich überprüft wird.
    Wir empfehlen dem Oberbürgermeister hier nachzubessern. Das könnte durch einen gemeinsamen Kraftakt mit dem CityCarré gehen. Es ist zu prüfen, wie die Erdgeschosszone des Einkaufcenters an der Nordseite so umgebaut werden kann, dass für die Fußgänger*innen eine Arkade entsteht.
    Die „Arbeitsgruppe für Menschen mit Behinderungen“ hat dies am 17.09.2020 auch gefordert.

Nun möchte ich zum Schluss kommen.

Auch wir hoffen, dass das Bauwerk so bald als möglich, also spätestens Ende 2022 fertig wird und dass es jetzt bei den Kosten von 211 Mio. Euro bleibt. Für die Drucksache werden wir nicht stimmen. Das kann niemand erwarten.

Bei dem Projektleiter Herrn Fuß und seinem Team möchten wir uns bedanken und wünschen weiterhin viel Erfolg.

Danke für's Zuhören.

Jürgen Canehl
Stadtrat Grüne/future!

(Es gilt das gesprochene Wort.)

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