Fraktionsvorsitzende Madeleine Linke zur aktuellen Situation rund um Enercon und die Erneuerbaren Energien in Magdeburg

14.11.19 –

Rede von Madeleine Linke, Vorsitzende der Fraktion GRÜNE/future!, zur aktuellen Situation rund um Enercon und die Erneuerbaren Energien in Magdeburg in der Stadtratssitzung am 14.11.2019

Arbeitsplätze im vierstelligen Bereich werden in Magdeburg im Erneuerbaren Energie Bereich gestrichen. Das sind über 1500 Schicksale. Das ist eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Magdeburg, aber auch für diese über 1500 betroffenen Menschen. Man kennt das aus Bitterfeld-Wolfen – auch hier wurden massiv Mitarbeitende der Solarindustrie entlassen. Zulieferer für die Windenergiebranche wie die WEC Turmbau GmbH im Jahr 2018, die Enercon-Tochter Rotorblattfertigung Magdeburg im Jahr 2018. Die schon bekannten Entlassungen jetzt und die noch folgenden in den Zuliefer- bzw. Tochterunternehmen. Es ist Zeit jetzt zu handeln!

Den größten Anteil an der Misere bei Enercon, aber auch in der stagnierenden Energiewende und der verfehlten Klimapäckchen hat die Bundesregierung in Berlin. So kann das gesetzte Ziel von 65% EE im Strom Deutschlands bis 2030 keinesfalls erreicht werden. Die letzten Novellierungen des EEGs waren für die Windenergiebranche fatal, die Abstandsgesetze sind Murks, es ist unglaublich, dass Windenergieanlagen herunter geregelt werden müssen, nur weil die fossile Energieerzeugung die Börse in Angebot-Spitzenzeiten dominiert. Aber ich möchte den Fokus heute auf uns legen. Die Kommune, die Landeshauptstadt Magdeburg und uns, den Stadtrat, sowie die Stadtverwaltung.

Mit SWM Naturstrom wurde schon viel bewirkt, 10% der elektrischen Energie kam garantiert aus Windenergieanlagen aus dem Stadtgebiet Magdeburgs. Der Rest, die 90% aus Wasserkraft in Österreich sind zwar TÜV Nord zertifiziert, klimaneutral und Ökostrom. Sie bringen aber nicht so viel für die Energiewende vor Ort. Hier muss der Ausbau stattfinden. Deshalb sollte die Landeshauptstadt mit einem Gesellschaftsanteil von 54% darauf hinwirken, dass der Anteil aus den Windenergieanlagen aus dem Stadtgebiet erhöht wird. So haben wir vor Ort nicht nur ein Grünes Label, sondern auch einen echten Ausbau der Erneuerbaren Energien vor Ort – das zeichnet ja schließlich echten Ökostrom aus.
Ebenso kann darauf hingewirkt werden, dass der SWM Regio Strom nicht nur durch das Biomasseheizkraftwerk in Magdeburg-Ostelbien und das Müllheizkraftwerk Rothensee abgedeckt wird, sondern auch ein Anteil Wind- und/oder Solarenergie aus Magdeburg zukünftig berücksichtigt wird. Auch so wird der Ausbau vor Ort angekurbelt.

In der Stellungnahme S0458/19 vom Dienstag zur Anfrage „Windpark“ wird auf mögliche zukünftige Standorte im Stadtgebiet Magdeburg bzw. in nahen Umland eingegangen. Dort wird u. A. das Vorranggebiet XIII „Hohendodeleben“ mit 4 möglichen Standorten, 2 davon im Stadtgebiet aufgeführt.

Deshalb sind wir in der Pflicht – gerade mit dem Ziel 2035 klimaneutral zu werden – in unseren eigenen Liegenschaften echten Ökostrom zu beziehen und zwar ab sofort! Aber die Stromwende ist nur ein Teil der Energiewende, auch im Wärmebereich und im Mobilitätsbereich muss und wird der Anteil der Erneuerbaren Energien steigen – auch die elektrische Energie – durch Sektorenkopplung. Deshalb hier nochmals ganz deutlich: Wir müssen auch hierfür auf echten Ökostrom umsteigen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere den Ausbau der Windenergieanlagen und der Photovoltaik-Freiflächen, durch Nachfrage und Anreize ankurbeln. Der Ausbau der Erneuerbaren aber auch der Netzausbau und die Speicherung – in welcher Form auch immer sind der Schlüssel zur klimaneutralen Kommune und zu einem klimaneutralen Sachsen-Anhalt.

Es ist ganz klar: Auch Windenergieanlagen – wie nahezu alle Industrieanlagen – belasten die Umwelt durch Herstellung, Installation, Betrieb und nach Überschreitung der Betriebszeit. Jedoch muss alles abgewogen werden und das geringste Übel gefunden werden. Dies passiert auch im Rahmen von Baugenehmigungen, hier werden die Belange zwischen Mensch, Wildtieren und Naturschutz abgewogen. Nur einige Kilometer entfernt zeigte das Helmstedter Revier und zeigt das Mitteldeutsche Revier, dass die fossilen Energieträger weder für Menschen und ihre Heimat sowie Gesundheit, noch für die Natur und die Ästhetik – geschweige denn das Klima – eine Alternative sein können.

Es gibt Aussagen, dass Enercon allein am Standort Magdeburg seit 2007 mit mehr als sieben Millionen Euro aus Steuergeldern subventioniert wurde. Auf die darauf folgenden getätigten  Aussagen verzichte ich hier lieber. Aber ich möchte die Subventionen in eine Perspektive rücken:
Zwischen 1970 und 2016 hat Deutschland die Steinkohle mit 337 Milliarden € und die Atomenergie mit 237 Milliarden € gefördert. Bis zu diesem Tag zahlt der Staat rund 46 Milliarden pro Jahr um die Preise für Kohle und Diesel künstlich niedrig zu halten.
Ganz abgesehen von den Kosten für die Atommüllentsorgung, den Folge-, Umwelt- und Gesundheitskosten – diese werden von der Allgemeinheit getragen.
Hingegen sind in den Ausbau von Wind- und Solarenergie seit 1990 rund 146 Milliarden € geflossen.

Ich habe vorhin verschiedene Unternehmen der Regenerativen Energiebranche aufgezählt, die in Sachsen-Anhalt, aber insbesondere in Magdeburg, eine bedeutende Anzahl von Mitarbeitenden entlassen mussten. Die Anzahl der Menschen, welche in der Braunkohle-Branche beschäftigt sind, beläuft sich auf rund 20.000. Die Energiebranche stellt in Deutschland rund 330.000 Jobs bereit.
Die Strukturmittel aus dem Kohlekompromiss werden in Regionen eingesetzt, in denen überwiegend die 5 großen Stromunternehmen agieren.
Die 45 GW installierte Leistung aus der Windkraft befinden sich zu 41% im Eigentum von Beteiligten an Gemeinschaftsprojekten (z.B. Energiegenossenschaften oder Bürger*innenenergie-Projekte) und nur zu 14% den großen Energieversorgungsunternehmen. Bei der Energiewende geht es mehr als um Klimagerechtigkeit und den Ausbau der Erneuerbaren Energien, - es geht auch um Beteiligung und Mitgestaltung – egal, ob als Kommune oder als Privatperson.

Der Oberbürgermeister, aber auch die anwesenden Landtagsabgeordneten werden aufgefordert, dies bei der Berücksichtigung der Verteilung der Strukturmittel zu berücksichtigen und auch für die Jobverluste in der Erneuerbaren Energiebranche in schwächeren Regionen diese Mittel einzusetzen.

Und nochmals gleichzeitig müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen und alles in unserer Macht stehende tun um als Stadträt*innen, Verwaltung, Beigeordnete, Oberbürgermeister oder Landtagsabgeordnete die Energiewende in der Region zu unterstützen und den Jobabbau aufzufangen.

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