Rechte von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen in Magdeburg

Lesben, Schwule und Transgender leben heute in Deutschland so frei wie nie zuvor. Das das so ist, ist einem harten und langen Ringen um Anerkennung zu verdanken. Diesen Kampf um Anerkennung haben zunächst einmal diejenigen geführt, die von Ausgrenzung und Diskriminierung, aber nicht selten auch von Gewalt, betroffen waren und sind.

23.06.11 –

Redebeitrag von Stadtrat Sören Herbst  zur Aktuellen Debatte in der SR-Sitzung am 23.06.2011

Sehr geehrte Damen und Herren Städträte, 
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, 
sehr geehrte Gäste,

Lesben, Schwule und Transgender leben heute in Deutschland so frei wie nie zuvor. Das das so ist, ist einem harten und langen Ringen um Anerkennung zu verdanken. Diesen Kampf um Anerkennung haben zunächst einmal diejenigen geführt, die von Ausgrenzung und Diskriminierung, aber nicht selten auch von Gewalt, betroffen waren und sind. Die Politik hat sich mit ihnen immer schwergetan und bis sie wenigstens damit begonnen hat, Gesetze und Verordnungen an die Bedürfnisse von Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen anzupassen, vergingen viele Jahrzehnte.

Dass die rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgender zumindest in Deutschland immer weiter fortschreitet, ist nicht ein Entgegenkommen gegenüber Minderheiten, sondern der Beginn der Beseitigung eines großen und grundlegenden gesellschaftlichen Bruchs in unserem Land.

Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen und zumindest in Deutschland gibt es an der Oberfläche einen Konsens. Aber eine volle Gleichstellung steht noch in weiter Ferne. Und die Debatte um den Christopher Street Day in Magdeburg hat gezeigt: ohne volle Gleichberechtigung ist jedes Reden über Toleranz nichts als heiße Luft!

Die Schirmherrschaft über den CSD ist Geschichte. Der OB wollte sie nicht und vermutlich wird er sie niemals wollen. Das finden viele Menschen und auch ich schade. Aber das ist nun mal so. Das muss und kann nur er selbst entscheiden und als Organisator würde ich mir doch sowieso jemanden als Schirmherrn wünschen, der sich darüber freut und authentisch für die Sache eintreten will.

Nachdenklich gemacht hat viele Menschen sicher ein Vergleich der Kritik an dieser Entscheidung mit den unbestrittenen Diskriminierungen unter denen Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen leiden. Wir finden, dass es absolut in Ordnung geht, eine getroffene Entscheidung eines gewählten Repräsentanten zu loben oder zu kritisieren, aber wir finden, dass es gar nicht geht, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung als ungleichwertig angesehen werden. Das mal klarzustellen, ist sicherlich wichtig und würde einen Beitrag dazu leisten, was Aufgabe von Politik ist: nämlich ein friedliches Zusammenleben aller Menschen zu gewährleisten, gleich ob dick, dünn, schwarz, weiß, grün, homo oder hetero.

Wir haben diese Debatte beantragt, weil wir glauben, dass nach CSD und Regenbogenflagge viel Grundsätzliches übrig bleibt, über das wir reden sollten. Die gesellschaftliche Anerkennung hinkt bei uns der rechtlichen Anerkennung hinterher und das zu verändern ist Aufgabe von Politik in Bund, Land, und Kommunen. Viele Menschen haben erkannt, dass das Zeitalter der Diskriminierung und Ausgrenzung endgültig vorüber ist.

Deshalb erwarten sie von der Politik, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und in der Tat wegweisende Beschlüsse zu fassen. Auch in Magdeburg gibt es diese Erwartungshaltung. Die Menschen möchten von einer Politik vertreten werden, die sich wirklich weltoffen und modern zeigt. Zahlreiche Meinungsäußerungen gerade jüngerer Menschen aus den politischen Parteien bis hin zur JU haben das gezeigt.

Und auch im Internet diskutierten Menschen miteinander über die Debatte zum CSD und forderten z. B. auf facebook einer Gruppe mit 1.200 Unterstützern „lasst uns ein Zeichen setzen, dass Magdeburg den CSD unterstützt. Und dabei ist dieses Straßenfest ja auch nur ein Symbol, genau wie die Regenbogenflagge.

Dass Schwule und Lesben bei uns Straßenfeste feiern und sich organisieren ist noch lange kein Indikator für ihre gesellschaftliche Akzeptanz.

Noch immer ist der Hass auf diese Menschen international und in Deutschland nicht überwunden. Die Mitte der Gesellschaft in Deutschland ist in den letzten Jahren toleranter geworden, dafür wächst an den Rändern die Bereitschaft zur Gewalt. Einige Bundesländer verweisen in den letzten Jahren auf steigende Zahlen von homophober Gewalt. Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung nimmt zu, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist, da die bundesweit einheitliche Kriminalstatistik diese Straftaten nicht gesondert ausweist.

Und wenn wir in unsere östlichen und südöstlichen Nachbarländer schauen, dann sieht es ganz düster aus. Egal ob Polen, Russland, Bulgarien oder die Ukraine  - überall dort müssen Schwule und Lesben mit schwersten Anfeindungen und körperlicher Gewalt rechnen, wenn sie sich offen zu ihrer Sexualität bekennen.

Und auch in deutschen Familien, Betrieben und Schulen werde schwulenfeindliche Bemerkungen und Anspielungen oft noch als witzig empfunden – nur die damit Diffamierten können darüber bestimmt nicht lachen. Für viele „geoutete“ Schwule und Lesben ist der Weg durch den Alltag immer noch mit zahlreichen Hindernissen gepflastert und es ist unsere Aufgabe, diese Hindernisse zu beseitigen.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei im Bildungs- und Sozialbereich liegen, wo Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit Sexualität machen und für das weitere Leben prägende Ansichten entwickeln. Für die Schulsozialarbeit aber auch für Streetworker sollte daher das genaue Hinhören und Erklären im Vordergrund stehen.

Viele als negativ oder belastend empfundene Dinge werden von einer Mehrheit der Jugendlichen als „schwul“ bezeichnet, meist überhören Erwachsene dies einfach. Die Jugendlichen sind dann meist sprachlos, wenn man sie fragt, was denn jetzt das „schwule“ an den lästigen Hausaufgaben oder der verpassten Straßenbahn ist.

„Du schwule Sau“ gilt als die häufigste Beschimpfung auf deutschen Schulhöfen – das ist sicher auch in Magdeburg nicht anders. Wenn die Schülerinnen und Schüler damit tagtäglich konfrontiert sind und womöglich noch in anderen Zusammenhängen „schwul“ als negativ besetzt empfinden, sind die Grundvoraussetzungen für ein Zusammenleben mit Toleranz und Respekt bereits schwierig. Wenn diese Kids dann auch noch denken, dass Politik Schwule und Lesben eigentlich auch ein bisschen „bäh“ findet, verfestigen sich diese Stereotypen und Vorurteile.

Abseits einer Beflaggung kann Politik noch viel für die Anerkennung und gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben tun, beispielsweise, in dem sie sich für die dringend erforderliche Aufnahme der sexuellen Orientierung in das Grundgesetz aufnimmt. Es kann nicht sein, dass Menschen zu Geschlechtumwandlungen und erniedrigenden Genehmigungsverfahren gezwungen werden, nur damit sie sich auf ihr Grundrecht berufen können, wegen ihres Geschlechts nicht benachteiligt zu werden.

Wir begrüßen es außerordentlich, dass sämtliche Fraktionen bis auf die CDU-Fraktion auf dieser Stadtratssitzung Eilanträge gestellt haben, die die CSD-Bewegung würdigen. Ich hoffe jedoch, dass der Stadtrat noch einen Schritt weiter geht und klar zeigt, dass die Politik in Magdeburg sich nicht nur am CSD um die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender schert, sondern, dass wir beschließen, dass wir gemeinsam voneinander profitieren und eine Gemeinschaft in Vielfalt anstreben!

Es gilt das gesprochene Wort!


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