Auswirkungen von Hartz IV auf die Kommune

Redebeitrag von Thorsten Giefers, Stadtrat der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Ausschusses Gesundheit und Soziales zur Aktuellen Debatte in der Stadtratssitzung am 22.01.2009 ... wenn man im Vorfeld hört, Hartz-IV ist hier das Thema, muss man sich fragen, wird das jetzt ein kleiner Bundestag (denn viele Reden deuteten darauf hin), denn die kommunalen Einflussmöglichkeiten sind ja gering. Hartz-IV, einst eingeführt mit den Begriffen „Fordern und Fördern“ und vor allem der Entlastung der Kommunen, hat sich als solches nicht bewährt. Wir sehen das in verschiedenen Bereichen. Das Fordern setzt sicherlich große Maßstäbe, das Fördern aber ist für die Betroffenen meist nicht erkennbar.

Redebeitrag von Thorsten Giefers, Stadtrat der Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Ausschusses Gesundheit und Soziales zur Aktuellen Debatte in der Stadtratssitzung am 22.01.2009

Sehr geehrter Vorsitzender,
sehr geehrter Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,

wenn man im Vorfeld hört, Hartz-IV ist hier das Thema, muss man sich fragen, wird das jetzt ein kleiner Bundestag (denn viele Reden deuteten darauf hin), denn die kommunalen Einflussmöglichkeiten sind ja gering. Hartz-IV, einst eingeführt mit den Begriffen „Fordern und Fördern“ und vor allem der Entlastung der Kommunen, hat sich als solches nicht bewährt. Wir sehen das in verschiedenen Bereichen. Das Fordern setzt sicherlich große Maßstäbe, das Fördern aber ist für die Betroffenen meist nicht erkennbar.
Die Entlastung der Kommunen, versprochen waren 2,5 Mrd. Euro, hat sich als solches nicht bewahrheitet, weil die Bedarfsgemeinschaften einfach gestiegen sind und heute 34.000 Menschen hier abhängig von der Förderung sind in 20.000 Bedarfsgemeinschaften.

Aber wir müssen neben dem finanziellen Aspekt, der heute von Oberbürgermeister ganz deutlich gemacht wurde, auch die psychosoziale Situation der Betroffenen sehen und ich denke, die darf auch nicht vernachlässigt werden. Wenn hier von der „Aufstocker-Problematik“ gesprochen wird und dass wir jährlich 8-9 Mio Euro für diese Menschen bezahlen müssen, müssen wir zuerst sehen: Das sind Menschen, die gehen arbeiten und müssen trotzdem noch aufstocken! Hier in der Diskussion ist häufig dieser Beiklang gewesen, die betroffenen Menschen nehmen noch etwas mit. Nein – sie verdienen einfach zu wenig und haben nicht die Möglichkeit, von ihrem Einkommen auskömmlich zu leben. Das hat ja auch mit statistischen Tricks zu tun, wie der OB richtig gesagt hat, denn diese Menschen sind eigentlich nicht arbeitslos und beziehen trotzdem Geld.

Die 1-Euro-Kräfte z.B. werden auch nicht als Arbeitslose gezählt, obwohl sie es durchaus sind, weil sie in einer Maßnahme sind. Sie werden durch statistische Tricks einfach rausgenommen. Vielfach wurde hier der Mindestlohn angesprochen und obwohl 1,28 Euro nicht der Mindestlohn ist, den wir uns vorstellen, greift auch die Kommune gerne auf diese Kräfte zurück und andere Institutionen auch.

So ist es natürlich auch in Bereichen der Wirtschaftsförderung, wenn wir sehen, dass sich hier auch unsere kommunale Wirtschaftsförderung „einen Ast“ freut, wenn wieder ein Telearbeitsplatz geschaffen wurde bzw. wir beliebter Standort oder Wirtschaftszweig sind. Dies passiert aber nicht, weil wir so toll sind, sondern weil es hier Arbeitskräfte zu geringen Preisen gibt und die gern genommen werden. Es ist vor allem der Arbeitspreis, für den viele Menschen hier arbeiten müssen. Da muss man einfach auch gucken, wie wir die Wirtschaftsförderung gestalten wollen und wo man Schwerpunkte darauf legt. Das trifft ja auch nicht uns als Kommune vor allem, sondern auch die Landesförderung. Und das trifft auch zu, wenn wir als Kommune uns mit unseren kommunalen Gesellschaften am Markt beweisen müssen. 

Dann sind wir auch die, die mit den Löhnen runtergehen, weil wir eben Teil des Markt sind und das führt dann dazu. Wir haben das auch bei den Reinigungskräften mitgemacht. Man müsste mal eine statistische Erhebung machen (übrigens ein schönes Projekt für die Hochschule), wie viele von den  Reinigungskräften, die früher für die Kommune gearbeitet haben und ausgegliedert wurden, heute zu den „Aufstockern“ zählen und dann weiß man auch, wie die „Aufstocker-Problematik“ funktioniert und welchen Anteil daran auch die Kommune hat.

Unter dem Gesichtspunkt, dass wir natürlich auch selbst sparen müssen, sollte man auch der Wirtschaft keinen direkten Vorwurf machen, sondern auch die nutzt die „Gunst der Stunde“, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten und diese müssen daher überprüft werden.
Zusätzlich ist es so, dass sich der Bund aus seinen Beteiligungen hier immer mehr zurück zieht. Eigentlich war die Senkung der Belastung der Kommunen angestrebt, doch jetzt ist es so, dass wir  Mindereinnahmen von 2,3 Mio Euro haben. Das ist ein ganz schöner Happen für uns und wird uns als Kommune massiv treffen.
Ich denke, dass muss geschaut werden, wie Einfluss genommen und Druck ausgeübt werden kann und
inwieweit die Solidarität zwischen den Städten, Gemeinden und Kommunen besteht, denn der Aufschrei vom Städte- und Gemeindebund hält sich stark zurück. Es gibt dort offensichtlich Kräfte, die einfach anders bewertet werden, Gemeinden, die eine andere wirtschaftliche Situation haben und die ärmeren Gemeinden einfach allein lassen. Da muss eine stärkere Solidarität und eine einheitliche Position für alle Gemeinden eingefordert werden.

Was wichtig ist, ist einfach noch mal festzustellen: Wir leben in einem Land, in dem vom Staat  2.500,- Euro für die Auto-Abwrack-Prämie gezahlt werden und 100,- Euro einmaliger Zuschlag für Kinder. Solange die Problematik so gesehen wird und Kinder so ausgespart werden und damit Familien insbesondere betroffen sind, brauchen wir über Gerechtigkeit nicht reden. Weil, wer arm geboren wird, bleibt häufig auch arm. Es gibt außerdem zu wenig Kinder, die leben häufig in armen Familien, haben schlechte Bildungschancen, gebrochene Erwerbsbiografien und erhalten langjährige Zahlungen von Grundsicherungen bzw. Hartz-IV. Damit kommt am Ende auch verstärkt das Thema Altersarmut auf uns zu.
Ein wichtiger Punkt noch zum Schluss: Es geht hier um die Senkung der Kosten-der-Unterkunft (KdU).
Wir haben vor einiger Zeit mit dem Antrag „Ökologischer Mietspiegel“ eine Initiative gestartet, da ging es darum, die ständig steigenden Energiekosten zu senken. Wir werden uns bemühen, für das Anliegen des Antrages trotz Ablehnung durch den Stadtrat im ersten Anlauf dennoch eine Mehrheit zubekommen. Ich denke, es geht darum, zu reagieren, um die ständig steigenden Energiekosten durch Minderverbrauch in einem vernünftigen Wohnraum zu senken und darf nicht dazu führen, dass immer mehr Bedarfsgemeinschaften abgedrängt werden in einen minderwertigen Wohnraum, die energetisch so sind, dass seitens der Kommune draufgezahlt wird. Wir müssen uns dies im Detail ansehen, wo unsere Möglichkeiten als Stadt sind und dies in Anträge gießen. Unser Ziel muss es sein, nicht nur zu wehklagen, sondern zu schauen, wo wir unsere Kompetenz und Zuständigkeit haben und diese zu nutzen. 

Thorsten Giefers