25.09.25 –
Sehr geehrte Damen und Herren,
was mich an der Debatte besorgt ist, dass ein Stadtteil hier als gescheitert, sogar als „Ghetto“ (Bedeutung des Begriffs) dargestellt wird. Das wird natürlich der Neuen Neustadt in keiner Weise gerecht, ist aber geeignet, die zweifellos bestehenden Probleme des Stadtteils zu verstärken. Es ist wichtig offen über die Problemlagen im Stadtteil zu reden und sich an Lösungen zu wagen. Die politische Instrumentalisierung, das bewusste Schlechtreden hilft dem Stadtteil aber nicht.
Der aktuelle Anlass, der Femizid vom 7. September, ist nichts was für die Neustadt, oder “Ausländer“ irgendwie in besonderem Maße typisch wäre. Solche Verbrechen sind ein gesellschaftliches Problem, das so auch in jedem anderen Stadtteil oder in jeder anderen sozialen Gruppe (arm, reich, Deutsche, Migranten, Plattenbauten, Villenviertel) auftritt. Einzig verbindendes Element: die Täter sind Männer. (andere Debatte) Die selbe Tat begangen in Stadtfeld Ost oder begangen durch einen Deutschen, würde nicht zu dieser Debatte führen. Warum? Weil Sie die Tat bewusst instrumentalisieren und die Nachteile für den Stadtteil in Kauf nehmen.
Verblüfft am Antrag hat mich die überraschend korrekte Benennung des Hauptproblems (in der Rede natürlich anders) - Segregation. Segregation, also die soziale Entmischung der Bevölkerung. (Natürlich verwechselt die AfD Ursache und Wirkung. Ausländer haben sich nicht im Ausland verschworen in der Neuen Neustadt eine Segregation herbeizuführen. Neu ankommende Menschen ziehen aber dorthin, wo es Leerstand und günstigen Wohnraum gibt.)
Diese Entmischung fällt nicht vom Himmel, sie ist Ergebnis kommunaler Politik. Sie wird hier in diesem Ratssaal entschieden. Wir benennen das Problem seit 30 Jahren. Immer wenn der Rat hier ein neues Wohngebiet beschließt, bei dem nicht darauf geachtet wird, dass Menschen aller oder zumindest doch vieler sozialer Schichten dort zukünftig leben werden, befördern wie Segregation. Heute z.B. der Iltisweg. Ein für unsere Verhältnisse eher harmloses Neubaugebiet. Da entstehen vielleicht 50 Häuser? Wieviele der 50 Familien werden da von Sozialleistungen leben? Wieviele haben Migrationshintergrund? Wieviele sind Alleinerziehende? Natürlich niemand, da es wirtschaftlich nicht funktioniert. (Man müsste solche neuen Gebiete, wenn sie denn überhaupt nötig sind, anders konzipieren.) Das betrifft keineswegs nur Eigenheimsiedlungen. Wieviele Menschen der genannten Gruppen sind wohl in den Elbebahnhof gezogen? Wieviele werden es im RAW sein? Wenn wir Grüne und auch die Kollegen von der Linken mit Anträgen zu Anteilen von Sozialwohnungen um die Ecke kommen (und damit in der Tendenz eher scheitern), geht es weniger darum, dass in Magdeburg günstiger Wohnraum fehlt, sondern darum, dass er an diesen Stellen fehlt. Dass so mit jedem Beschluss die Segregation der Bevölkerung vorangetrieben wird. Mit negativen Konsequenzen für die klassischen Quartieren wie die Neue Neustadt. Der Effekt ist natürlich nicht auf diesen Stadtteil beschränkt. Jüngst hatten wir den Brandbrief für Sudenburg. (Brandbrief vs. Iltisweg) Andere Quartiere werden folgen, wenn nicht endlich dieser Effekt verstanden und ernst genommen wird und ein Umsteuern erfolgt. (AfD bei Ursachensetzung mit dabei.)
Kann man der Entwicklung für betroffene Stadtteile begegnen, sie umkehren? Ja. In der Magdeburger Geschichte kann man da z.B. auf Neu Olvenstedt verweisen. Der Stadtteil kippte uns in den 90ern förmlich aus den Latschen. Das gerade noch gesuchte Quartier (30 K) wurde in kürzester Zeit unattraktiv. Die es sich leisten konnten, zogen weg. Gewalt (Tod von Frank Bttcher) verbreitete Angst und Unsicherheit. Die Stadt ist da mit hohem Aufwand reingegangen. Wohnungen wurden auf modernen Stand gebracht, Leerstand abgerissen, neue Wohnungen errichtet, an der Stelle von Plattenbauten entstanden Eigenheime. Ich will jetzt nicht Neu Olvenstedt idealisieren, aus den finsteren Schlagzeilen früherer Zeiten ist der Stadtteil aber raus.
Die Vorraussetzungen in der Neuen Neustadt sind gut. Ein lebendiger Stadtteil mit vor Ort engagierten Menschen. Super angeschlossen, interessante Altbausabstanz. Einrichtungen wie der Moritzhof oder die Gedenkstätte Moritzplatz mit weit über den Stadtteil reichender Wirkung. Die Nikolaikirche ein Kleinod. Die Stadt investiert große Beträge in die attraktive Neugestaltung des Nikolaiplatzes als zentralen Platz des Stadtteils. Schulen deren Schülerinnen und Schüler sich aktiv in der Gestaltung des Stadtteils engagieren. Eine im Verhältnis zu anderen Stadtteilen recht hohe Anzahl an Gewerbetreibenden.
Aber natürlich trotzdem ein Stadtteil auch mit ernsten Problemen. Die SPD hat es jüngst auf ihrer Bürgerversammlung erlebt. Wir hatten als Fraktion vor einiger Zeit eine „Fraktion vor Ort“ wo uns die Leute auch ordentlich an Problemen eingeschenkt haben. Problematisch ist vor allem der Westen der Neuen Neustadt. Brachflächen, unsanierte Plattenbauten, Müll, Verwahrlosung und ein daraus resultierendes Gefühl von Unsicherheit.
Dem kann und muss man entgegenwirken. Städtebaulich aber auch sozial- und ordnungspolitisch. Die Regeln unserer Stadtgesellschaft gelten in allen Teilen der Stadt gleichermaßen und sind auch durchzusetzen.
Kolossal absurd ist die Tatsache, dass die einbringende AfD heute auch noch den Antrag „Kosten sparen: Quartierskultur Neustadt streichen“ stellt. Da fordern Sie allen Ernstes genau die Streichung der städtebaulichen Maßnahmen, die ein Teil der städtebaulichen Antwort auf die Probleme sind. Aus Kostengründen. Eigentlich aber aus ideologischer Verbohrtheit. Ja der Beschluss zur Quartierskultur, der auch auf die Initiative meiner Fraktion zurückgeht, will neben Leerstandsbeseitigung, öffentlicher Infrastruktur und Begrünung, auch eine Verkehrsberuhigung. Wissen Sie warum? Es geht um Lebens- und Wohnqualität. Auch begeisterte Autofahrer oder Menschen die schlicht auf ihr Auto angewiesen sind, finden es gut, wenn vor ihrer Haustür nicht gerast wird und die Straße begrünt ist. Wenn ich einen attraktiven, sozial durchmischten, lebenswerten Stadtteil will, muss man das Wohnumfeld attraktiv gestalten. Das ist notwendiger Teil der Lösung, auch wenn es nicht in ihr enges kleines ideologisches Weltbild passt.
Vielen Dank.
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