PM 33: Zwischen Protest und breiter Akzeptanz

Ein Jahr rechter Szeneladen "Narvik" im Magdeburger Hundertwasserhaus Rund ein Jahr nach der Eröffnung des "Narvik"-Ladens am 27. Juli 2007 im Magdeburger Hundertwasserhaus, der ausschließlich die in rechtsextremen Szenekreisen beliebte Bekleidungsmarke "Thor Steinar" verkauft, ist es Zeit für eine Bilanz.

von Sören Herbst –

Ein Jahr rechter Szeneladen "Narvik" im Magdeburger Hundertwasserhaus

Rund ein Jahr nach der Eröffnung des "Narvik"-Ladens am 27. Juli 2007 im Magdeburger Hundertwasserhaus, der ausschließlich die in rechtsextremen Szenekreisen beliebte Bekleidungsmarke "Thor Steinar" verkauft, ist es Zeit für eine Bilanz. Das erste Jahr des Bestehens des "Narvik" war geprägt von kontinuierlichem Protest und juristischen Auseinandersetzungen, aber auch von breiter Akzeptanz des Ladens in bestimmten Kreisen der Magdeburger Bevölkerung.

Seit der ersten Protestveranstaltung mit 200 bis 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 1. August 2007, an der auch zahlreiche prominiente Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft teilnahmen, haben mehr als ein Dutzend weitere Protestveranstaltungen vor, bzw. im Umfeld des "Narvik" stattgefunden, an denen sich ein breites Bündnis von Personen und Gruppen, insbesondere aus dem studentischen Umfeld, beteiligte. Exemplarisch zu nennen sind hier insbesondere die Veranstaltung "Alles muss raus - Narvik schließen!" am 2. November 2007, an der sich unter den Klängen elektronischer Tanzmusik ca. 60 Personen beteiligt haben, sowie die Aktion "Thor-Steinar-Klamotten zu Putzlappen", bei der am 18. April 2008 ein "Altkleider-Container für Nazi-Klamotten" vor dem "Narvik" aufgestellt wurde, welcher seitdem direkt vor Ort über die rechte Symbolik der Marke informiert.

Am 13. Februar 2008 fällte das Landgericht Magdeburg ein erstes Urteil im Prozess des Vermieters, der katholischen Siedlungswerk St. Gertrud GmbH, gegen den Thor-Steinar-Chef Uwe Meusel, der auch Betreiber des "Narvik" ist. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Meusel den Vermieter "arglistigt getäuscht" hatte, da beim Vertragsabschluss nicht erwähnt hatte, dass es sich um die Marke Thor Steinar handelt, geschweige denn, mit welcher Wahrnehmung diese Marke in der Öffentlichkeit behaftet ist. Diese Informationen hätte der dem Vermieter des Hundertwasserhauses jedoch nicht vorenthalten dürfen, so das Gericht, und verurteilte Meusel dazu, das Ladengeschäft unverzüglich zu räumen.

Unmittelbar nach bekannt werden des Urteils eilte eine Gruppe Aktivistinnen und Aktivisten mit Umzugskartons vor das "Narvik", um den Angestellten beim Einpacken zu helfen. Da diese wie stets jeglichen Kontakt mit den Protestierenden vermieden, wurde um das Geschäft eine symbolische Mauer aus Umzugskartons errichtet, verbunden mit dem Abschiedgruß "Good bye Narvik, no one will miss you!", zu deutsch: "Auf Wiedersehen Narvik, niemand wird dich je vermissen!".

Gegen die Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000 Euro jedoch konnte der Ladenbetreiber die sofortige Vollstreckung des Urteils abwenden und ging in Berufung, so dass der Laden weiter seine mit völkischer und rechtsextremer Symbolik aufgeladene Bekleidung vertreiben kann.

Neben dem ausdauernden und bunten Protest gegen das schleichende Vordringen rechten Gedankengutes in die Mitte der Gesellschaft, beobachtet das Protestbündnis gegen das Narvik aber auch eine gewisse Akzeptanz des Ladens und seiner Waren bei Teilen der Magdeburger Bevölkerung. Anders ist es nicht zu erklären, dass ein Laden mit einem derart polarisierenden und dabei von der Auswahl stark beschränkten Angebot offenbar gute Geschäfte macht.

Überall in Magdeburg sieht man Menschen, die offen und völlig selbstverständlich Thor-Steinar-Bekleidung tragen. Diese Personen tragen nicht etwa Thor Steinar als "Outdoor-Bekleidung" ohne jeglichen politischen Hintergrund, wie das Unternehmen selbst gerne kolportiert. Vielmehr sind diese Menschen beinahe ausnahmslos einem latent rechtsextremen Spektrum zuzuordnen, welches um ein Vielfaches größer ist, als das der von den Sicherheitsbehörden statistisch erfassten Rechtsextremisten.

Die breite Akzeptanz und gezielte Verbreitung rechtsextremer Symbolik inmitten unserer Stadt Magdeburg erfüllt uns mit Sorge. Die Masse der Menschen, die nicht Willens oder nicht mehr in der Lage sind, rechtsextremes Gedankengut als verbrecherisch und damit als nicht tolerierbar einzuordnen, wächst. Sie bildet den Nährboden für Intoleranz, Hass, Rassismus und Antisemitismus. Mit jedem Tag der fortwährenden Existenz von Läden wie "Narvik", die versuchen, rechtsextremes Gedankengut salonfähig zu machen, wächst auch die Gefahr der schleichenden Akzeptanz dieser Inhalte in unserer Gesellschaft.

Es ist schwierig und kräftezehrend, kontinuierlichen Protest zu organisieren. Dennoch halte ich dies für eine unverzichtbare Aufgabe und rufen insbesondere die Verantwortlichen in der Kommunalpolitik auf, sich mehr gegen Rechts - also auch gegen Läden wie das "Narvik" - zu engagieren! In Städten wie Magdeburg ist rechtsextremes Gedankengut auf dem Vormarsch und trifft bei bestimmten Teilen der Bevölkerung auf große Zustimmung. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sich dieser Herausforderung zu stellen,

die eine entscheidende Komponente für die Zukunft Magdeburgs und unseres Bundeslandes Sachsen-Anhalt sein wird.

Aus aktuellem Anlass wird am Samstag, den 9. August 2008 um 11 Uhr, ein Infostand vor dem Ladengeschäft "Narvik" stattfinden, zu dem alle Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich eingeladen sind.

Kategorie

Presse | Rechtsextremismus