Stadtratsfraktion

GRÜNE/future! MD

Sommerinterview mit Madeleine Linke

Das ist die Mobilitätspolitik bzw. die Mobilitätswende. Der Umstieg von den fossil betriebenen Verkehrsträgern, also vom Auto, vom Motorrad, vom LKW hin, auf den Umweltverbund. Das heißt Fahrradfahren, das zu Fuß gehen, den ÖPNV oder auch das Carsharing nutzen. Nachhaltige Logistik und die Antriebswende hin zur Elektromobilität gehören für mich natürlich auch zur Mobilitätswende - als Teil der Lösung. Damit schaffen wir nicht nur eine umweltfreundlichere, sondern auch noch lebenswertere Stadt.

08.08.22 –

Was sind deine politischen Schwerpunkte/Herzensthemen und warum sollten sich andere für diese Themen interessieren?

Das ist die Mobilitätspolitik bzw. die Mobilitätswende. Der Umstieg von den fossil betriebenen Verkehrsträgern, also vom Auto, vom Motorrad, vom LKW hin, auf den Umweltverbund. Das heißt Fahrradfahren, das zu Fuß gehen, den ÖPNV oder auch das Carsharing nutzen. Nachhaltige Logistik und die Antriebswende hin zur Elektromobilität gehören für mich natürlich auch zur Mobilitätswende - als Teil der Lösung. Damit schaffen wir nicht nur eine umweltfreundlichere, sondern auch noch lebenswertere Stadt.

Nimm uns mal mit: Wie sieht ein normaler Montag bei dir aus?

Ich bin sowohl ehrenamtlich Fraktionsvorsitzende hier in Magdeburg aber auch hauptamtliche Parteivorsitzende der Grünen in Sachsen-Anhalt. Ich habe also sowohl Landes- aber auch kommunale Termine. Meine Woche beginnt montags immer um 8:00, bis mittags Planungstreffen auf Landesebene, in denen wir besprechen, welche Themen wir in der Woche setzen wollen. Danach fahre ich entweder ins Büro oder arbeite im Home Office meine E-Mails ab. Und da kommt natürlich einiges rein. Und da schaue ich halt über den Tag immer wieder rein, beantworte Sachen, schreibe Texte, bereite Anträge vor, Reden, Grußworte. Montags folgt abends meistens die Fraktionssitzung und der Fraktionsvorstand. von 16 fast immer bis 21 Uhr und dann ist der Tag auch rum und ich fahre aus dem Rathaus wieder mit dem Fahrrad nach Hause und dann versuche ich noch ein bisschen runterzukommen.

Was hat dich politisiert bzw. welches Ereignis hat dazu geführt, dass du dich entschieden hast für den Stadtrat zu kandidieren?

Eine von Studierenden organisierte Veranstaltung mit Dr. Niko Paech zur Postwachstumsökonomie. Das ist eine andere Art des Wirtschaftens abseits des Kapitalismus. Dort habe ich viele meiner eigenen Gedanken wiedergefunden. Im Anschluss habe ich mich entschieden zur Grünen Hochschulgruppe zu gehen und war für einige Jahre in der Hochschulpolitik aktiv. Und wurde dort von Mentoren, also auch männlichen Mentoren, angesprochen, die gesagt haben „Du machst so gute Arbeit, du hast so viel Spaß dabei. Möchtest du nicht vielleicht für den Stadtrat kandidieren?“

Wie würdest du deine Politik in drei Worten beschreiben?
Bottom-Up. Authentisch und Nachhaltig.
Ich arbeite sehr nah an Initiativen, Vereinen und Verbänden, versuche Politik so ein bisschen zugänglicher zu machen und ihre Ideen in die Politik zu bringen. Authentizität ist mir sehr wichtig. Was ich fordere, das vertrete und lebe ich auch. Nachhaltigkeit bedeutet für mich ganzheitlich an alle Sachen heranzugehen, also nicht nur aus ökonomischer Perspektive oder nur aus ökologischer Perspektive zu denken, sondern sie mit dem sozialen Zusammenhang zu verbinden und so sozial gerechte Politik zu machen.

Was war dein größter Erfolg in den vergangen 3 Jahren im Stadtrat?
Der Beschluss, dass Magdeburg bis 2035 klimaneutral sein soll. Dafür haben wir uns damals fraktionsübergreifend wirklich auch mal eine Auszeit genommen und diskutiert und einen Konsens gefunden. Mit dem Konsens kann ich sehr gut leben und er ist jetzt die Grundlage eben für viele andere Anträge.

Bis zur nächsten Wahl sind es noch knapp 2 Jahre.Was willst du bis zum Ende dieser Wahlperiode noch unbedingt erreicht haben?
Bis zur Kommunalwahl 2024 würde ich gerne diese vielen Anstöße, die ich mit Anfragen und Anträge gesetzt habe, auch wirklich in die konkrete Umsetzung bringen. Damit wirklich sichtbar wird, dass sich durch diesen sehr grün/future lastigen Stadtrat etwas verändert hat. Ein Beispiel dafür ist der Beschluss zum Radentscheid. Ich will, dass wir dann wirklich auch die ersten Projekte auf der Straße sehen. Das gleiche gilt für die beschlossen Photovoltaik- und Gründächer und grünen Fassaden, die wir hoffentlich bald auf den Gebäuden sehen.

Magdeburg 2050 ist…

klimaneutral. Es ist attraktiv für alle Menschen und es ist grün auf vielen Ebenen.

Hast du viele politische Termine?

Ich habe an mehreren Tagen feste Termine mit den verschiedenen Teams auf Landesebene und mit den Initiativen, Vereinen oder Aufsichtsratssitzungen. Ich bin im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr. Der tagt alle 2 bis 3 Wochen meist von 16 bis 21 Uhr. Im Verwaltungsausschuss treffen wir uns einmal im Monat. Der Stadtrat kommt einmal im Monat zusammen und tagt von 14 bis 21 Uh. an einem Donnerstag und wenn wir nicht fertig werden müssen wir am folgenden Montag ab 16 Uhr nochmal ran.

Dazu kommen auch noch Partei- und Fachgruppentreffen in denen wir unsere Positionen ausarbeiten. Da viele Menschen rein ehrenamtlich arbeiten, sind viele meiner Termine in den Nachmittags- und Abendstunden oder sogar am Wochenende, teilweise sogar parallel. Da muss ich Prioritäten setzen. Ist jetzt wichtiger, mit einer Bürgerin zu sprechen oder mich mit der Verwaltung zu treffen? Immer wieder muss ich Prioritäten abwägen.

Fraktionssitzung, Ausschüsse, Stadtratssitzung und hier noch ein Arbeitsgruppentreffen. Das Ehrenamt im Stadtrat kostet viel Zeit. Wie vereinbarst du dein politisches Leben mit dem privaten?

Ganz realistisch betrachtet ist es als Fraktionsvorsitzende schon schwer. Also ich rechne tatsächlich mit 20 Stunden die Woche, die so ein Fraktionsvorsitz inklusive dem Ratsmandat einnimmt. Mehr geht natürlich immer. Man kriegt sehr viele Einladungen zu Übergaben von Preisen, für das durchschneide eines roten Bandes. Solche Veranstaltungen sind mal wichtig und sollte man sie auch wahrnehmen, aber oft muss man Abstriche machen. Das Stadtratsmandat ist findet schließlich zusätzlich zur Lohnarbeit statt. Ich habe nicht viel Zeit Freundinnen zu treffen. Ich habe nicht viel Zeit Sport zu machen oder ins Kino zu gehen. Das leidet sehr stark. Es konzentriert sich dann sehr stark auf Urlaubszeiten, auf freie Wochenenden, wenn es die denn gibt. Da versuche ich dann, so etwas nachzuholen. Aber manchmal nehme ich mir vormittags auch mal raus, für zwei, drei Stunden mal den Haushalt zu schmeißen oder spazieren zu gehen oder halt auch mal zum Arzt zu gehen.

Wie würdest du den kommunalpolitischen Alltag inklusiver gestalten?

Ich glaube, dass man tatsächlich, wenn man die Kommunalverfassung angeht, sehr viele Dinge ändern kann. Eine digitale Ausschusssitzung würde die Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt erheblich erleichtern. Das würde auch Menschen helfen, die vielleicht krank sind, und deswegen nicht kommen können oder auch einfach um die Anfahrtswege zu sparen. Und natürlich sollte der Arbeitsaufwand auch entsprechend entschädigt werden. In Sachsen-Anhalt ist die Entschädigung im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ gering. Als Fraktionsvorsitzende bekomme ich ungefähr

400 bis 500 € im Monat, die müssen aber auch noch teilweise versteuert werden. Bedenkt man, dass der Arbeitsaufwand mindestens einer halben Stelle entspricht, lässt sich das nur schwerlich finanziell und zeitlich mit Familie und Vollzeitjob vereinbaren.

Du wirst bald 30. Einen großen Teil deiner letzten 10 Jahre hast du mit politischen Projekten verbracht. Bereust du es manchmal nicht mehr Zeit für anderes gehabt zu haben?

Nein, überhaupt nicht. Ich denke manchmal darüber nach, wie mein Leben wäre, wäre ich nicht so stark politisiert worden. Ich möchte das gar nicht ändern. Ich habe eigentlich meinen kompletten Freundeskreis in der Politik oder über die Politik kennengelernt. Es macht mir unheimlich viel Spaß. Es gibt mir unheimlich viel Selbstwirksamkeit. Ich kann und möchte gar nicht ohne Politik leben.

Du bist Ingenieurin mit Fokus auf nachhaltige Energiesysteme und Mobilitätsforscherin und auch verkehrspolitische Sprecherin. Dieses Wissenschafts- und Politikfelder sind oft männlich dominiert. Hast du trotz deiner fachlichen Qualifikation manchmal das Gefühl als Frau nicht ernst genommen zu werden?

Ich wurde meistens ernst genommen. Aber man merkt es dann doch. Im Studium hat man das schon gemerkt, dass man da in der Minderheit ist, dass man ein bisschen anders wahrgenommen wird. Natürlich habe ich manchmal auch Sexismus erlebt aber es gab sehr viel mehr Unterstützung. Viele fanden das ganz toll, dass ich Ingenieurin bin oder Maschinenbau studierte.

Ist es in der Politik anders?

Ja. Ich beobachte ganz viel Sexismus in der Politik auch bei uns im Stadtrat. Also ich merke es teilweise, wenn ich ins Mikrofon trete und der Raum unruhig wird. Aber ich lasse mich davon eigentlich wenig beeinflussen und lasse es auch gar nicht so an mich ran. Ich habe da aber auch so meine Instrumente, wie ich das so ein bisschen an mir abperlen lassen kann. Die Kleidung, die ich trage, die Art und Weise wie ich Reden halte hat einen großen Einfluss darauf. Untereinander herrscht aber auch gewisser Respekt und Akzeptanz zwischen den politischen Gegner*innen. Das eigentlich größere Problem, dass mich auch mehr betrifft, jetzt wo ich dann Mutter werde und Elternzeit nehme, ist die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung, Ehrenamt und Politik. Für junge Mütter und Eltern ist politische Teilhabe noch immer eine große Herausforderung.

Magdeburg oder Braunschweig?

Magdeburg.

Lastenrad oder Rennrad?

Lastenrad.

Brücken bauen oder Tunnel graben?

Brücken bauen.

Du bist Verkehrspolitische Sprecherin. Viele haben das Gefühl, dass es mit der Verkehrs- bzw. Mobilitätswende in Magdeburg noch immer nicht voran geht. Woran liegt das?

Ich glaube, ein großes Problem ist, dass die Planung noch immer nicht von den schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen aus gedacht wird - also nicht von der Person mit dem Rollator und nicht von der Mutter mit dem Kinderwagen, nicht von der Person im Rollstuhl, sondern oft von der Windschutzscheibe des Autos aus. Ich glaube, das ist ein ganz großes Problem in Magdeburg. Dazu kommt die Infrastruktur, die wir hier schon haben. Da sind die breiten Magistralen, das sind die nicht ausreichenden Radwege in einem schlechten Zustand. Als eine Landeshauptstadt haben wir zum Beispiel gerade nur einen Carsharing Anbieter. Das Bikesharing fehlt auch. Wir haben natürlich die sehr starke MVB, die auch gut unterwegs ist, aber deren Finanzierungskonzepte noch nicht so wirklich ins 21. Jahrhundert vorgedrungen sind. Auch der ICE-Halt fehlt uns noch. Das sind einige große Themen, die wir noch angehen müssen. Dafür brauchen wir eine viel stärkere Mobilitätslobby, die eben auch Verkehrsträgerübergreifend intensiv zusammenarbeitet.

Welche deiner Ansichten hat sich seit deiner Wahl verändert?

Ich war vorher auch schon sehr kompromissbereit, aber die Art, in der hier Kompromisse und Konsense gefunden werden, ist schon ziemlich hart. Und auch das, was man an Zeit in Kauf nehmen muss. Von der Idee eines Antrages, über dessen Formulierung, die Einbringung, dann wird er in die Ausschüsse verwiesen bis etwas beschlossen ist. Und selbst dann braucht es noch unheimlich viel Zeit, bis es wirklich angepackt, geplant und dann wirklich in Beton gegossen wird.

Gibt es denn auch eine kommunalpolitische Niederlage, über die du dich heute noch ärgerst?

Es gibt immer wieder Rückschläge. Manchmal entsteht aber auch etwas Positives aus ihnen. Wir hatten zum Beispiel einen sehr, sehr langen Prozess von einem Antrag, den ich aus der vorherigen Legislatur übernommen habe. Dabei ging es um Skateelemente. Ich habe hart dafür gekämpft, weil mir Subkultur, Jugendliche und junge Menschen sehr am Herzen liegen. Nach vielen Kompromissen und Verhandlungen hatten wir einen Beschluss und Fördergelder beantragt. Teile der Skateszene waren mit dem Ort jedoch nicht zufrieden. Daraufhin weigerte sich die Stadtverwaltung den Beschluss überhaupt umzusetzen. Das hat mich schon sehr frustriert, dass ein Beschluss einfach so gekippt wird. Ich habe dann nochmal das Gespräch mit der Skate Szene gesucht, mit der Stadtverwaltung gesprochen und an Workshops teilgenommen. Gemeinsam haben wir eine neue Lösung ausgearbeitet und ich habe jetzt doch wirklich große Hoffnung, dass wir mit diesem Antrag, dann in einer anderen Form, richtig was Tolles auf die Beine stellen werden.

Was machst du, wenn du gerade mal nicht Politik machst?

Ich versuche ein bisschen Sport zu machen, ein bisschen Yoga, Pilates, solche Sachen. Das schaffe ich aber auch nicht so oft in der Woche. Ansonsten fahre ich viel Fahrrad. Ich versuche, wenn ich dann wirklich Urlaub habe, auch mehr Tagestouren zu machen. Eine große Leidenschaft ist es Brettspiele zu spielen. Die Runden mit Freund*innen und Mitbewohnerinnen machen mich immer sehr glücklich. Am meisten Spaß macht es natürlich, wenn ich gewinne. (lacht) Ich liebe es aber auch im Garten zu arbeiten, Gemüse anzubauen, Obst zu ernten und, wenn ich Zeit habe, abends zu gießen. Das hilft mir mich etwas runter zu bringen.

Du bist leidenschaftliche Radfahrerin, wo und wann macht Radverkehr am meisten Spaß?

Abends macht mir Radfahren am meisten Spaß, wenn nicht so viel los ist. Ich fahre sehr gerne am Abend mit dem Rad nach Hause, durch die Natur und an der Elbe oder Schrote entlang.

Hast du zum Abschluss noch einen Geheimtipp in deinem Wahlkreis? Einen Ort an dem du am liebsten bist oder eine versteckte Perle, die zu wenige Menschen kennen?

In der Altstadt liebe ich viele Orte, aber vor allem die Ecken hinterm Dom. Da gibt es viele Gassen und Innenhöfe, die so ein bisschen verwinkelt und versteckt und sehr alt sind. Dort gibt es auch versteckt einige gute Restaurants und Biergärten. Mein Wahlkreis ist aber nicht nur die Altstadt, sondern auch die Alte Neustadt. Dort ist mir vor allem der Wissenschaftshafen ans Herz gewachsen. Das Gebiet ist gerade einer sehr starken Entwicklung unterworfen, die ich sehr gerne weiter verfolge und unterstütze.

Was sollen Mensch über die Politik in Magdeburg unbedingt noch wissen?

Ich glaube, vielen Menschen ist nicht bewusst, dass gerade Kommunalpolitik in Magdeburg sehr viel Chancen und Potenziale bietet. Unsere Stadt ist nicht so groß. Wir haben sehr viel Leerstand, sehr viele freie Flächen, also sehr viel Raum, der mit Ideen gefüllt werden möchte. Es macht unheimlich glücklich, wenn man so ein Gesicht der Stadt tatsächlich mitgestalten und zum Positiven verändern kann.

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