Olaf Meister, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der SR-Sitzung am 10.12.2018 zum Haushalt 2019

Rede in Wort und Livestream...

10.12.18 –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der uns vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 ist (mit Erträgen/Aufwendungen von etwas mehr als 735 Mio. €) ausgeglichen. Das sieht nach einer runden Sache und gesunden Finanzen aus. Tatsächlich präsentieren sich die Rahmenbedingungen derzeit positiv. Steigende Steuereinnahmen, weiterhin niedrige Zinsen, in Teilbereichen sogar rückläufige Kosten wie die leicht sinkenden Kosten für Unterkunft und Heizung und die deutlich sinkenden Kosten im Asylbereich geben Raum für positive Entwicklungen.

Unsere grundsätzlichen Probleme im Osten schlagen sich allerdings auch bei uns nieder. Die eigenen Steuereinnahmen von etwa 267 Mill. € betragen derzeit etwas weniger als 40% der Gesamteinnahmen und liegen damit im Vergleich zu westdeutschen Städten (Quote von 60-70%) auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Das schränkt unsere Leistungsfähigkeit ein.

Sorgen macht mir die Entwicklung der Verschuldung (Anlage 7). Der „ausgeglichene“ Haushalt kommt mit einer geplanten Nettoneuverschuldung von 34,5 Mill. € (fast 5 % des Volumens) daher. 2018 wuchs nach Anlage 7 die Summe aller Verbindlichkeiten im Ergebnis um 76,6 Mill €, geplant waren etwa 30 Mill. Je Einwohner sind das 321 € Schulden mehr - nur im Jahr 2018 (einem eigentlich positiven Jahr für öffentliche Haushalte - wie läuft das in schlechten Jahren). In Zeiten niedriger Zinsen ist diese erhebliche Neuverschuldung ein erstmal nur wenig spürbares Problem, das kann sich zukünftig drastisch ändern. Das wir in Zeiten schlechter Konjunktur und steigender Zinsen, diese Verschuldung mal eben so tilgen werden können, erscheint nicht sonderlich realistisch, dann treffen uns aber die Zinslasten hart. Die aktuelle Entwicklung wird den Handlungsspielraum der Stadt in der Zukunft deutlich einschränken.

Eine der Ursachen sind die vielfältigen Investitionsvorhaben der Stadt, deren Notwendigkeit und Ausführung wir Bündnisgrünen durchaus differenziert betrachten. Ausdrücklich positiv sehen wir die erheblichen städtischen Anstrengungen insbesondere im Bildungsbereich. Die Investitionen in die Kitas waren und sind notwendig. Die schon sehr weitgehende Durchsanierung der Schulen ist richtig, der Neubau sogar zu zögerlich. Die Gewährleistung von ausreichenden Grundschulkapazitäten ist eine echte Herausforderung. Bei aller Standortproblematik - Wir mussten und müssen diese Aufgaben erfüllen, wenn sich diese Probleme stellen - nicht Jahre später. Wir investieren hier in die nächsten Generationen und die Familienfreundlichkeit unserer Stadt. Da ist es schon ärgerlich, wenn im heute verhandelten Haushalt für die beiden geplanten Schulneubauten weder für Planungen geschweige denn für Grundstückankäufe Mittel vorgesehen sind. 2023/24 müssen sie zur Verfügung stehen.

(Vor fast 10 Jahren unterbreitete unsere Fraktion den Vorschlag zur Entspannung der räumlichen Situation der ‚IGS Willy Brandt‘ und der ‚Grundschule am Westring‘ eine neue Schule zu bauen. Endlich am letzten Donnerstag wurde nun der Beschluss zur Planung gefasst. Bis zum Februar 2022 – also 38 Monate – soll es jetzt noch dauern bis die Schule fertig ist. Wir regen an, noch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht schneller und vielleicht preiswerter geht, wenn man sich an dem im KITA-Bau bewährten Verfahren orientiert und eine Ausschreibung unter Generalunternehmern vornimmt.)

Bei anderen Ausgaben liegt die Sache anders. Der tiefere Sinn des Baus der Werkstraße ist mir auch weiterhin verborgen geblieben. (Ich rede hier nicht über Umweltbelange, ich sehe keinen verkehrstechnischen Sinn.) Finanztechnisch in einer anderen Liga spielt natürlich das zum Ewigkeitsprojekt mutierte Tunnelbauvorhaben. (Hat einen Platz im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes gefunden - herzlichen Glückwunsch) Wieso spreche ich dieses finanz- und städtebauliche Desaster in der Haushaltsdebatte an? Auch wenn der aktuell prognostizierte städtische Anteil, vom Volumen her, die von mir eben kritisierte Neuverschuldung erreicht, wir können weder das Projekt noch die Kosten jetzt noch abwenden.

Mit der Entscheidung über die Haushaltspläne treffen wir nicht nur eine bürokratische Entscheidung zur Mittelverwendung, wir geben vielmehr vor, wie die Stadt sich entwickeln soll. In was für einer Stadt wollen wir zukünftig leben?

Die Meinungen dazu gehen ziemlich auseinander. Stadtentwicklung und Verkehr sind dabei einer der zentralen Konfliktpunkte. Ganz speziell finde ich z.B. den Haushaltsantrag der CDU-Fraktion zur 3. Elbquerung. Mal unabhängig davon, was die jetzt geforderten 25.000 € da ernsthaft helfen sollen. Die CDU (ja und auch Teile der SPD und der OB) haben mit dem von Ihnen erkämpften Großprojekt Tunnel und seinen desaströsen finanziellen Auswirkungen, die sie politisch zu verantworten haben (wer sonst?), die Gestaltungsspielräume drastisch eingeengt. Erklären Sie mir bitte, wie sie innerhalb der von Ihnen ja mitgetragenen Verschuldungsobergrenze von 510 Millionen €, auf die wir hier mit beachtlicher Geschwindigkeit zu rasen, dieses Projekt in einer irgendwie absehbaren Zeit stemmen sollten. Sie bieten den Leuten lautstark ein Projekt an, das sie selbst finanziell unmöglich gemacht haben. Das wir Bündnisgrüne es auch verkehrsplanerisch anders sehen, ist kein Geheimnis.

Tatsächlich bräuchte die Stadt Investitionen in ihre verkehrliche Infrastruktur, aber nicht in Tunnel oder andere pharaonische anmutende Vorhaben. Mensch, allerorten wird von der Verkehrswende gesprochen, auch beim Deutschen Städtetag. Die 60er Jahre müssen doch auch mal bei uns irgendwann vorbei sein. Wir brauchen einen attraktiveren ÖPNV und deutlich stärkere Investitionen in den Rad- und Fußgängerverkehr, einen Umweltverbund zwischen diesen Verkehrsträgern. Wenn man eine attraktivere Innenstadt will, muss man den Anteil dieser Verkehrsarten und gerne auch den der Elektromobilität erhöhen. Dass geht nur, wenn wir den Menschen Lust, Spaß und Gelegenheit geben, sich auch so durch unsere Stadt zu bewegen. Diese Verkehrswende muss man wollen, sie müsste sich in unseren Investitionen, Planungen und Verwaltungshandeln niederschlagen - das tut sie nicht. Wir Grüne haben da einige Anträge (auch Radverkehrsbeauftragte, ÖA) vorbereitet, deren Gesamtvolumen günstiger ist als ein Anstrich für den Tunnel. Letztlich brauchen wir aber einen generellen Kurswechsel. (Den angeblich guten Zahlen in den Ausführungen von Bürgermeister Zimmermann, steht die recht triste Realität und die Investitionsprioritätenliste gegenüber. Seit dem Sie mir hier mal den Tunnel anteilig auf den Radverkehr umgelegt haben, hege ich ein tiefes Misstrauen gegen solcherlei städtische Zahlen.)

Wir brauchen auch eine andere Stadtentwicklung. Nicht mehr das Bebauen landwirtschaftlicher Nutzflächen im Außenbereich. Nicht immer mehr städtische Fläche, mit den dann dauerhaft hohen Kosten bei der Bereitstellung der Infrastruktur in der Breite, sondern die Stärkung von Stadt- und Stadtteilzentren. Wir brauchen eine verdichtete Innenstadt mit urbaner Aufenthaltsqualität (was wir im 2. Weltkrieg und dem nachfolgenden Wiederaufbau verloren haben), nicht die Bebauung des Rotehorns.

Zur Stärkung eines urbanen Stadtzentrums gehört auch großstädtisches Leben in der Innenstadt, mit Aufenthaltsqualität, einem breitem Sortiment an Innenstadthandel, Gastronomie und Kneipenszene. Der Maßnahmenplan Handel und Innenstadt mit seinem notwendigen Mehraufwand von 135 T€ zusätzlich zu den bereits geplanten 100 T€ für 2019 ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Belebung des Alten Marktes, die Einrichtung einer zeitweiligen Fußgängerzone in Teilen der Innenstadt (Siehe „Ein Herz für Magdeburg“) sowie das Managen einer attraktiven Abend- und Nachtökonomie sowie einer attraktiven Geschäftsentwicklung am Hasselbachplatz durch eine geeignete Person (Nachtmanager*in), sind da konkrete Anträge meiner Fraktion.

Und wir brauchen eine Stadt, die sozial als Gesellschaft zusammenhält, für die sich die Menschen engagieren. Der Sozialbereich macht mit 46 % des Gesamthaushaltes auch tatsächlich einen erheblichen Anteil unserer Aufwendungen aus. Wir müssen darauf achten, dass die Gesellschaft nicht auseinander driftet, dass wir (und das nehme ich als ziemlich konsensuale Sicht aller Fraktionen wahr) auch Stadtteile mit besonderen sozialen Schwierigkeiten nicht hängen lassen, sondern uns gerade dort als Kommune besonders engagieren.
Zum gesellschaftlichen Zusammenhalt gehört es auch, den Menschen mehr Mitsprachemöglichkeiten zu geben. Unser Vorschlag der Einrichtung eines Bürgerhaushaltes gehört dazu, genauso wie eine bessere Ausstattung der Arbeitsgruppen Gemeinwesenarbeit und auch die Einführung eines eigenen kleinen Budgets für Ortschaftsräte.

Außerdem brauchen wir eine grüne Stadt, die sowohl den Klimaschutz ernst nimmt und ihren Beitrag zur Lösung des globalen Problems leistet, als auch Vorkehrungen dafür trifft, dass Magdeburg für den sich anbahnenden Wandel gut gerüstet ist.

Das Bundesumweltministerium hat im Oktober die Kommunalrichtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten im kommunalen Umfeld für den Förderzeitpunkt 2019 – 2022 veröffentlicht. Ich hoffe, dass wir die dort formulierten neuen Förderschwerpunkte (u.a. Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs) offensiv für uns nutzen und darüber in den Austausch treten. Der Baubeigeordnete hat eine Prüfung zugesagt. Der politische Wille einer Stadt zum Klimaschutz zeigt sich nicht an der Länge der Pläne oder der Anzahl von Konzepten, sondern letztlich am Budget für deren Umsetzung. Auch muss die Stadtverwaltung selbst mit gutem Beispiel voran gehen. Deshalb haben wir den Antrag zum Haushalt 2019 gestellt, zur CO2 Kompensation von Dienstreisen ab 2019 jährlich 10 T€ in den Haushalt einzustellen, wenn diese nicht vermieden werden können. Auch die beantragte Anschaffung des elektromobil betriebenen Streetscooters für die Stadtbibliothek wäre ein Symbol für praktischen Klimaschutz, zumindest soweit der „richtige“ Strom getankt wird.

Das Grün unserer Stadt ist für viele Menschen zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität geworden. Bei seit 2012 gefällten 15.000 Bäumen besteht die Sorge, dass Magdeburg da ins Hintertreffen gerät. Umso ärgerlicher ist es, dass die seit 1995 laufende Initiative ‚Mein Baum für Magdeburg‘ nicht in der Lage ist, die Zahl der Baumspendewilligen zeitnah abzuarbeiten. Im August wurde bekannt, dass schon im Sommer potentielle Baumspender auf das Jahr 2019 vertröstet wurden. Auf Vorschlag der bündnisgrünen Fraktion beschloss der zuständige Betriebsausschuss daraufhin einstimmig einen „Hilferuf“ an den Stadtrat auf Gewährung von zusätzlichen Mitteln in Höhe von 50.000 €. Für eine bürgerfreundliche Abwicklung und für die Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit wünscht sich der Betriebsausschuss zusätzlich eine zunächst bis 2022 befristete Stelle. Da hoffen wir auf einen positiven Beschluss. Gleiches gilt für die 2017 vom OB initiierten Baumhaine. Darum ist es sehr still geworden. Unser Antrag Nr. 46 versucht da neuen Schwung zu geben.

Ein erfreulicher Weise im Stadtrat ziemlich im Konsens behandeltes Thema sind unsere erheblichen Anstrengungen im Kulturbereich, natürlich auch im Hinblick auf die Kulturhauptstadtbewerbung. Aufbauend auf unserer Vergangenheit müssen wir uns als Stadt da ein Stückchen neu erfinden und neue Akzente setzen. Das macht Magdeburg attraktiver und lebenswerter. Die Neueröffnung des Dommuseums und die Sicherung des Technikmuseums sind da ganz aktuelle Projekte, die diese Schwerpunktsetzung aufzeigen. Wir begrüßen außerdem die Anpassung an eine tarifgerechte Bezahlung aller Mitarbeiter*innen des Theater, die Erhöhung der Mindestgage, die Neueingruppierung der Tänzer*innen und die Sachkostenerhöhung, auch wenn dies nach wie vor ein Risiko für den Wirtschaftsplan des Eigenbetrieb Theater Magdeburg darstellt.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir den vorliegenden Haushaltsentwurf für 2019 insgesamt recht kritisch sehen. In zentralen kommunalpolitischen Politikfeldern wie Verkehr, Stadtentwicklung, Stadtgrün aber auch Mitbestimmung und bürgerschaftliches Engagement sehen wir unseren Politikansatz im Haushalt nicht verwirklicht. In durchaus nicht wenigen Teilbereichen gibt es aber auch richtige Schritte und Entscheidungen. Wir werden unser Abstimmungsverhalten zum Gesamthaushalt davon abhängig machen, wie der Stadtrat sich zu den Änderungsanträgen positioniert.

Es gilt das gesprochene Wort!

 

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Haushalt | Reden