Fraktionsvorsitzende Madeleine Linke zum Haushaltsplan 2020 (Stadtratssitzung vom 09.12.2019)

09.12.19 –

Rede von Madeleine Linke, Vorsitzende der Fraktion GRÜNE/future! zur Drucksache DS0365/19 (Haushaltsplan 2020) in der SR-Sitzung am 09.12.2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

der uns vorliegende Haushaltsentwurf in der Höhe von 736 Mio. € für das Jahr 2020 (nach Veränderungslisten) ist ausgeglichen, ja sogar mit einem kleinen Überschuss versehen. Das ist eine sehr gute Nachricht. Allerdings sind die angenommenen Steuereinnahmen im Gegensatz zu 2018 deutlich geringer als erwartet.  

Die Schuldenentwicklung ist für 2020 und auch für 2021 dramatisch. Die vom Stadtrat beschlossene und damit selbst auferlegte Verschuldungsobergrenze von 510 Mio. € kann 2020 und voraussichtlich auch 2021 nicht eingehalten werden.

Damit haben wir 2020 mit einem Plus von 4 Mio. € eine Nettoneuverschuldung von knapp 30 Mio. € zu verzeichnen, was die Stadt bis 2022 in eine zunehmend angespannte Finanzlage bringt. Durch die ständige Inanspruchnahme von Liquiditätskrediten müssen zusätzliche Zins- und Tilgungsleistungen erwirtschaftet werden. Die ständige Inanspruchnahme dieser Kredite halten wir für schwierig, da sie aus unserer Sicht die Zahlungsfähigkeit der Stadt zunehmend gefährdet.

Nur ganz kurz möchte ich betonen dass in der heutigen Haushaltssitzung eine Fraktion auch Änderungsanträge formuliert hat, die ganz deutlich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aufweist. Mit keinem Wort und keiner Enthaltung oder ähnlichem werden wir diese Versuche das Grundgesetz und die Menschenrechte auszuhöhlen Aufmerksamkeit schenken.

Wie in jedem Jahr, nehmen die Sozialausgaben den Löwenanteil des Haushaltes 2020 ein. Der Anteil ist bedenklich nichtsdestotrotz ist jeder Euro mehr als nötig. Für die unglaublich wichtige Finanzierung von Kita- und Krippenplätzen, Wohngeld für Hartz-IV-Bezieher*innen sowie Unterhaltsvorschuss und Hilfe zur Erziehung.

2020 beträgt derzeitig der Eigenanteil der Stadt MD an der Kinderbetreuung etwa 60 Mio. € und wird bis 2022 weiter ansteigen. Die ganz konkreten finanziellen Auswirkungen der 2018 vom Landtag beschlossenen KiFöG-Novelle und des 2019 vom Bund beschlossenen Gute-Kitas-Gesetzes auf die Stadt sind allerdings noch offen.

Seit 2017 wird der Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr ohne zeitliche Befristung gezahlt, wenn der Unterhalt nicht durch die Eltern sichergestellt ist. Seit der Gesetzesänderung hat sich die Anzahl der Leistungsberechtigten fast verdoppelt und der Verwaltungsaufwand stetig erhöht. Nicht nur die Stadt Magdeburg hat dadurch erhebliche Mehrausgaben zu stemmen.

Daher wünschen wir uns deutliche Verbesserungen für die Stadt bei der Frage, wie sich für den Unterhaltsvorschuss gezahltes Geld effizienter und erfolgreicher von unterhaltspflichtigen Elternteilen zurückholen lässt. Dazu hatten wir bereits zum Haushalt 2018 einen Vorschlag zur Steigerung der Rückholquote gemacht, der jedoch abgelehnt wurde. Um die Rückholquote von aktuell 10 Prozent in MD zu erhöhen, sollten nach unserer Auffassung die Rückforderungen zentral über die Finanzverwaltungen der Länder erfolgen, so wie das in Bayern und seit kurzem auch in Nordrhein-Westfalen geschieht.

Das einst vor Jahren von unserer Fraktion gewünschte Kita-Portal ist nach wie vor nicht das, was wir uns damals vorgestellt haben. Nachdem es zunächst ewig nicht (richtig) funktionierte und seiner Bestimmung so gar nicht gerecht wurde, scheint es noch immer ein ungeliebtes Stiefkind der Stadt zu sein. Obwohl es mittlerweile 3.500 registrierte Nutzer*innen des Portals gibt, wurden lediglich 220 Plätze darüber in Einrichtungen vermittelt. Das ist bei einer Gesamtzahl von 18.363 Plätzen kein wirklich effektives und für Eltern nützliches Instrumentarium.Wir begrüßen es daher, wenn dieses Portal in 2020 gründlich überarbeitet wird.

Unsere Fraktion hat gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE eine Kapazitätserweiterung des Frauenhauses in 2020 beantragt. Wir finden, diese Maßnahme ist mehr als notwendig und kann in dieser Form nur ein erster Schritt sein, denn weitere folgen müssen. Auch hier sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. Eine Ablehnungsquote von 60% in 2019 geht gar nicht. 2017 lag diese noch bei rund 15%.

Die Stadt tätigt in 2020 investive Maßnahmen in Höhe von rund 147 Mio. € in eigene Vorhaben und rund 8,5 Mio. € in Investitionsförderprojekte von Dritten. Das ist eine mehr als viermal so hohe Investitionssumme als noch vor fünf Jahren. Mit dabei Tunnelbau, in der Schwebe hängende Strombrückenverlängerung, Stadthallensanierung und zum Glück auch endlich zahlreiche Kita- und Schulbauten bzw. -sanierungen.

Was sich nach Investitionen in die Zukunft der Stadt anhört, ist aber auch, wie im Falle des Tunnelbaus eine jahrelange Einschränkung für die Stadt und vor allem eine enorme Geldverschwendung ohne wirkliche Verbesserungen für den Alltag der Magdeburger*innen. Damit schaffte es der Tunnelbau 2018/2019 sogar in das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. Das hat gravierende Folgen für die Stadt Magdeburg, da die entsprechenden Finanzmittel aufgrund der deutlich erhöhten Eigenmittelbeteiligungen der Stadt und den hieraus resultierenden zusätzlichen Kreditaufnahmen uns an anderer Stelle fehlen werden, wie ich eingangs meiner Rede bereits bemerkt habe.

Der Deutsche Städtetag hatte Mitte des Jahres 2018 in einem Positionspapier deutlich gemacht, dass es in den Städten zu einer Mobilitätswende kommen muss, zu einer grundlegenden Umorientierung im Verkehr. Mehr Aufenthalts- und Lebensqualität durch die Stärkung des Umweltverbundes – ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr.

Auch Magdeburg muss sich die Frage stellen, für wen der Stadtraum zukünftig geplant und gestaltet werden kann – Mensch oder Blechkiste. Wir wollen das Magdeburg ein Ort des Begegnens, des Aufhaltens und des Austausches wird.

In der Vergangenheit, heute und in der Zukunft machen wir immer wieder Vorschläge einen Schritt in die richtige Richtung zu machen ­– weg von der autogerechten Stadt – hin zu einer Stadt für alle.

Der Bürgermeister, Herr Zimmermann hat bei der Einbringung des Haushaltes 2020 zu Beginn der diesjährigen HH-Klausur des F/G-Ausschusses betont, dass die Stadt insgesamt 3,75 Mio. € für 2020 an Investitionen und Bauunterhaltung in das Radwegenetz aufwendet. Damit würde die Stadt 15,79 € pro Jahr und Einwohner*in in Fahrradinfrastruktur investieren. Eine Zahl, die – wie aus einer aktuellen Studie von Greenpeace hervorgeht –, bisher keine einzige deutsche Stadt erreicht hat, sondern lediglich skandinavische Städte wie z.B. Kopenhagen (36 €). Amsterdam liegt bei 11 Euro.

Sofern man jedoch die sich aus der Investitionsprioritätenliste 2020–2022 ergebenden Summen für Fuß- und Radwegeverbindungen sowie für diverse Lückenschlüsse addiert ergibt sich eine viel geringere Summe als die vom Bürgermeister genannten Zahlen in der Präsentation.

Wir haben den Eindruck, dass hier insbesondere im Bereich der baubegleitenden Investitionen alles in einen Topf geworfen wird und gern mal als Investition in den Radverkehr verkauft wird.

Den Stellenwert, den der Radverkehr in Magdeburg auch politisch hat, erkennt man schon allein daran, dass es seit Jahren keine Mehrheiten für die Einrichtung der Stelle einer/s Radverkehrsbeauftragten gab und das Budget für die Öffentlichkeitsarbeit in puncto Radverkehr die Größe einer Portokasse einnimmt. Was in anderen Städten seit Jahren selbstverständlich ist, ist für Magdeburg immer noch Zukunftsmusik.

Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr mehr Zustimmung zu unseren Radverkehrsanträgen erhalten werden. Mit einer Kampagne wie dem Stadtradeln oder dem „Miteinander im Verkehr“ kann wirklich mal was passieren in puncto Öffentlichkeitsarbeit.

Noch viel mehr kann erreicht werden, wenn Pilotprojekte wie eine Protected Bikelane durchgeführt würden und endlich sich auch eine beauftragte Person sich für die Nahmobilität zuständig fühlt.

Vom Umweltverbund zur Umwelt – dem Stadtgrün.

Die Kampagne „Mein Baum für Magdeburg“ erfreut sich wachsender Beliebtheit. Durch die zahlreichen Fällungen und Baumverluste durch den ALB-Käfer, die 2. Nord-Süd-Verbindung, Hochwasserfolgen, Sturmschäden und die Dürresommer ist die Bereitschaft, Bäume zu spenden, höher denn je. Seit der großen Dürre im Sommer 2018 haben die Stadt und der Eigenbetrieb SFM große Anstrengungen unternommen, um eine Vielzahl der seit 2012 insgesamt fast 15.000 gefällten Bäume zu ersetzen.

Dabei wurde sehr schnell deutlich, dass mit der bisherigen Personalausstattung der SFM die wachsende Nachfrage nach Bäumen nicht bewältigt werden kann. Was in den 1990er Jahren mit der Betreuung durch das Sekretariat begann, ist nicht mehr nebenbei von den Mitarbeitenden zu erledigen. Der mittlerweile angehobene Spendenbetrag von 320,00 € pro Baum deckt dabei allenfalls nur ein Drittel der tatsächlich anfallenden Kosten, denn außer Lieferung und Pflanzung ist eine mindestens 2-jährige Entwicklungspflege zu leisten.

Insbesondere wenn man Baumstandorte an den Straßen wieder bepflanzen und Baumhaine realisieren will, müssen umfangreiche Untersuchungen angestellt und vor allem zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden.

Wir hoffen daher heute auf einen positiven Stadtratsbeschluss und Zustimmung zur Budgeterhöhung im Dezernat VI um 100.000 € zur Realisierung der Baumhaine.

Außerdem sollten weitere verfügbare Flächen für Standorte für mögliche Baumpflanzungen aufgelistet, untersucht und Gelder dafür auch in den kommenden Haushalten für Grundstückskäufe etc. eingestellt werden.

Für die Ottostadtkampagne sind auch in 2020 insgesamt 167.000€ veranschlagt. Unsere Fraktion hat diese Kampagne immer kritisch begleitet und wir werden dies auch in den kommenden Jahren tun. Gut finden wir, dass seit 2019 ein neues gesamtstädtisches Markenkonzept aus dem Budget der Ottostadtkampagne finanziert wurde, quasi für eine effektivere Außenwerbung. Wir unterstützen damit den seit 2019 eingeschlagenen Weg.

Unterstützung von Seiten unserer Fraktion erhält auch das Stadtortmarketing in Form des Maßnahmenplans Handel und Innenstadt und den dafür notwendigen Mehraufwand für den Haushalt 2020. Wir finden es wichtig, den Innenstadthandel zu fördern und damit die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Dazu gehört für uns auch die Belebung des Alten Marktes, die zeitweilige Sperrung von Teilen der Innenstadt um „Ein Herz für Magdeburg“ zu formen sowie die Koordination einer attraktiven Abend- und Nachtszene sowie einer vernünftigen Geschäftsentwicklung am Hasselbachplatz durch die neue Managerin.

Der politische Wille einer Stadt zeigt sich nicht an der Länge der Pläne oder der Anzahl von Konzepten, sondern einzig und allein am Budget für deren Umsetzung. Ein Masterplan 100% Klimaschutz bringt nichts, wenn kein Geld für dessen Umsetzung da ist. Mit der Beschlussfassung des Masterplans im vorigen Jahr wurde angestrebt, die Treibhausgasemissionen der Landeshauptstadt Magdeburg bis zum Jahr 2050 um mindestens 95% gegenüber dem Jahr 1990 zu mindern und gleichzeitig den Endenergieverbrauch um 50% zu senken. Für die Realisierbarkeit dieses nahezu klimaneutralen Magdeburg 2050 müssen unzählige Maßnahmen ergriffen werden und Mitarbeitende und Einwohner*innen mitgenommen werden. Dazu hatte der Stadtrat in 2018 eine Haushaltsbefragung über den zum „Masterplan 100% Klimaschutz“ gehörenden Maßnahmenkatalog initiiert, um ein Meinungsbild einzuholen.

Allerdings muss auch die Stadtverwaltung selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Ökostrom, E-Fuhrpark, mal selbst aufs Fahrrad steigen. Deshalb haben wir auch zum Haushalt 2020 wieder den Antrag gestellt, zur CO2-Kompensation von Dienstreisen ab 2020 jährlich 10.000 € in den Haushalt einzustellen, wenn diese nicht vermieden werden können. Wir hoffen, dass eine Mehrheit des neuen Stadtrates diesem Antrag zustimmen wird.

Unsere Änderungsanträge zeigen: Wir sind auch dazu bereit unbequeme Entscheidungen zu treffen. Wir fordern nicht nur Finanzmittel für unsere Herzensanträge – nein, wir haben auch einige Anträge durch die zusätzliche Finanzmittel eingespart bzw. eingeworben werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir den vorliegenden Haushaltsentwurf auch für 2020 insgesamt wieder recht kritisch sehen. Gleichwohl haben wir die Haushaltsberatungen als fair wahrgenommen und man hat sich Zeit genommen unsere zahlreichen kritischen Fragen zu beantworten. Sofern ein Großteil der 35 Änderungsanträge, an denen wir beteiligt sind, eine Mehrheit findet, werden wir dem Haushalt zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Es gilt das gesprochene Wort!

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Haushalt | Reden