Timo Gedlich, Sprecher für Umwelt- und Stadtentwicklung, für den Erhalt der hölzernen Zeitzeugen in der Stadtratssitzung am 25.06.2015

Wir entscheiden heute nicht mehr und nicht weniger über ein Stück lebendige Magdeburger Stadtgeschichte, deswegen habe ich mir auch diesen Ort ausgesucht, um die Rede zu halten. Die ca. 120 jährige Ulme und die ca. 80 jährige Platane, die zwei Diktaturen überlebten, sind Zeitzeugen der Stadtentwicklung. Beide Bäume haben die Bombardierung des zweiten Weltkriegs überstanden. Auch in Zeiten großer Not waren diese beiden Bäume für die Magdeburger Bevölkerung offenbar von großer Bedeutung, denn sie wurden auch für Brennholz nicht beseitigt. Schon einmal waren diese beiden Bäume im Jahre 1987 von der Abholzung bedroht, doch auch das Ende der DDR überlebten sie. Dieses Ende kam nicht nur aus politischen Gründen oder wegen

25.06.15 –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir entscheiden heute nicht mehr und nicht weniger über ein Stück lebendige Magdeburger Stadtgeschichte, deswegen habe ich mir auch diesen Ort ausgesucht, um die Rede zu halten.

Ulme und Platane in der DanzstraßeDie ca. 120 jährige Ulme und die ca. 80 jährige Platane, die zwei Diktaturen überlebten, sind Zeitzeugen der Stadtentwicklung. Beide Bäume haben die Bombardierung des zweiten Weltkriegs überstanden. Auch in Zeiten großer Not waren diese beiden Bäume für die Magdeburger Bevölkerung offenbar von großer Bedeutung, denn sie wurden auch für Brennholz nicht beseitigt.
Schon einmal waren diese beiden Bäume im Jahre 1987 von der Abholzung bedroht, doch auch das Ende der DDR überlebten sie. Dieses Ende kam nicht nur aus politischen Gründen oder wegen der bankrotten Planwirtschaft, es war auch einer Umweltkrise geschuldet - vergiftete Flüsse, sterbende Bäume, Smoke.
Obwohl die starke Umweltverschmutzung für jeden sichtbar, sogar riechbar war, wurde sie staatlicherseits stets geleugnet. Um diesem Trend entgegen zu treten, gründeten sich in den 1980er Jahren viele Umweltinitiativen unter dem Dach der Kirche. Menschen, die sich in der DDR für Umweltschutz engagierten, mussten damit rechnen, observiert, oppositioneller Tätigkeiten beschuldigt und verhaftet zu werden. Im Schutz der Kirche konnten sie aber das Versammlungs- und Informationsmonopol des SED-Regimes unterlaufen, so auch in Magdeburg. Hier gründete sich Mitte der 1980er Jahre der Arbeitskreis Ökologie am Dom. Im Juni 1987 wurde bekannt, dass die Ulme und die Platane im Zuge des Wohnungsbauprojekts fallen sollten. Der Arbeitskreis um Domprediger Quast verfasste mehrere Eingaben an den Rat der Stadt und wandte sich in einem Gespräch auch an die Abteilung Inneres, bei der er anmerkte, dass er sich notfalls um die Bäume stellen würde.
Natürlich wollte die Stadt jeglichen Aufruhr und die mögliche Berichterstattung westdeutscher Journalisten über eine möglichst spektakuläre Aktion vermeiden. So wurde bei der Aussprache mit eingabeführenden Bürgern im August 1987 mitgeteilt, dass zwischenzeitlich seitens des Rates der Stadt festgelegt wurde, das Projekt erneut zu bearbeiten, um nach Möglichkeit die Ulme und die Platane zu unterhalten - mit bekanntem Ausgang. Ich möchte hier auch deutlich ausrücken, dass die Bäume, die auch einen hohen ökologischen Wert besitzen, da die Ulme vom Ulmensterben betroffen ist.

Danzstraße Skizze 1Nach der Wende konnte jeder diese Eingaben und Berichte über den gesamten Vorgang der Straßenbäume in seiner Stasiakte nachlesen. Dieses demokratische Engagement der mutigen Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt der Bäume war ein Vorbote des Wendeherbstes 1989. Denn etliche von ihnen engagierten sich auch für die Montagsgebete in der Beratergruppe Dom.
Damals wie heute existieren Pläne, die das Ende der beiden Bäume bedeuten sollen.
Damals wie heute gibt es ein Für und ein Wider.
Damals waren es dringend benötigte Wohnungen, heute ist es die wirtschaftliche Rentabilität, die die Bebauung  anstatt der Bäume erscheinen lässt.
Doch es gibt auch heute städtebaulich praktikable Möglichkeiten (siehe Skizze 1 und 2) beide Bäume zu erhalten. Dieser Platz Danzstraße SKizze 2mit seinen alten Bäumen könnte ein Stück Lebensqualität sein. Nicht nur für die Bewohner des neuen Gebäudes, die ins Grüne schauen, sondern auch für alle anderen Magdeburgerinnen, die in Zukunft hoffentlich noch viel häufiger in unsere Stadt kommen, und Touristen, die in einer dort untergebrachten Touristeninformation ihre Stadtpläne holen oder nach einer langen Tour durch unsere schöne Stadt unter den Bäumen eine Tasse Kaffee genießen. Es gibt diese Alternative, die auch von einigen Architekten und Stadtplanern als positiv bewertet wird.

Ich bin den engagierten Menschen aus der Wendezeit für ihren Mut dankbar. Auch dafür, dass wir heute offen hier im Stadtrat über das Für und Wider dieses Bauprojekts diskutieren können.

Lassen Sie uns diese Bäume als lebendige Zeitzeugen begreifen, die gemeinsam mit dem Bürgerdenkmal dem Mauerstück auf der anderen Seite der Staatsbank von der Courage einiger Bürger aus der Wendezeit berichten.

Lassen Sie uns gemeinsam ein Zeichen setzen, dass das mutige demokratische Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die Bäume nicht umsonst gewesen ist und wir es im Jahr 2015 noch wertschätzen.

Lassen Sie uns gemeinsam noch einmal mutig sein.

Lassen Sie uns gemeinsam den Schritt wagen, die beiden hölzernen Zeitzeugen als Denkmal für den Mut der Bürger und Bürgerinnen aus der Wendezeit begreifen und würdigen.

Vielen Dank!

 

Es gilt das gesprochenen Wort!

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Naturschutz | Reden | Stadtentwicklung