Rede des Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushalt 2016 in der SR-Sitzung am 07.12.2015

Der uns vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2016 ist, anders als es der 2015er zumindest im Entwurf war, nicht ausgeglichen. Aufwendungen von 687 Millionen € stehen geplante Einnahmen von lediglich 669 Millionen € gegenüber. Die Deckungslücke beträgt beachtliche 17,4 Millionen €. Wir sind also nicht in der Lage unsere aktuellen Belange aus den Einnahmen zu finanzieren und verschieben die Finanzierung in die Zukunft auf nachfolgende Generationen. Die Ursachen sind durchaus... 

08.12.15 –

Sehr geehrter Vorsitzender,
Sehr geehrte Damen und Herren,

der uns vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2016 ist, anders als es der 2015er zumindest im Entwurf war, nicht ausgeglichen. Aufwendungen von 687 Millionen € stehen geplante Einnahmen von lediglich 669 Millionen € gegenüber. Die Deckungslücke beträgt beachtliche 17,4 Millionen €. Wir sind also nicht in der Lage unsere aktuellen Belange aus den Einnahmen zu finanzieren und verschieben die Finanzierung in die Zukunft auf nachfolgende Generationen.

Die Ursachen sind durchaus vielschichtig. Ein ganz wesentliches Element ist die Art und Weise, wie der kommunale Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt funktioniert oder eben gerade nicht funktioniert. Es ist auffällig, dass die kommunalen Haushalte reihenweise ins Minus rutschen, die Situation ist ja keineswegs auf Magdeburg beschränkt – wir stehen eher noch gut da – während der Landeshaushalt Überschüsse erwirtschaftet. Das Verschieben der Schuldenbelastung von einem öffentlichen Haushalt in die anderen ist – wenn man das Gemeinwesen als Ganzes im Blick hat – nicht sinnvoll.

Abgesehen davon Ruf, dass schlicht zu wenig Geld im Finanzausgleichssystem ist, hat der Finanzausgleich auch Unzulänglichkeiten. Wenn Nettoabschreibungen nicht berücksichtigt werden, fehlt ein wichtiges Element. Wenn Konsolidierungserfolge der Kommunen letztlich nicht bei ihnen verbleiben, sondern vollständig für den Landeshaushalt vereinnahmt werden, ahnt man, dass die Sinnhaftigkeit von Konsolidierungsbemühungen nur schwer zu vermitteln ist. Kommunen die konsolidieren, stehen im Ergebnis eben nicht besser als Kommunen die nicht konsolidieren.

Wenn die, die die Konsolidierungen tragen müssen, also die von Kürzungen und Leistungseinschränkungen Betroffenen, aber natürlich auch die verantwortlichen Kommunalpolitiker, nicht erkennen können, dass die Einsparungen die  Finanzsituation ihrer Kommune dauerhaft verbessert, werden Konsolidierungen eben nicht als sinnvoll wahrgenommen – die wichtige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte findet dann nicht statt – letztlich zum Schaden aller.

Vor diesem Hintergrund fällt es schwer die Deckungslücke im Magdeburger tatsächlich anzugehen. Entsprechend gibt es weder von Seiten der Verwaltung, noch aus dem Stadtrat, auch nicht von meiner Fraktion, Anträge die geeignet wären, den Haushalt auszugleichen. Dabei sind wir als Stadt Magdeburg selbstverständlich auch selbst verantwortlich für unsere Lage. Wenn wir auf unser Millionengrab „Tunnelbaustelle“ sehen, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Möglichkeiten Magdeburgs in anderen Bereichen investiv tätig zu werden, in den kommenden Jahren eingeschränkt sind und erhebliche Verschuldungen entstehen werden. Dabei gibt es so viel Handlungsbedarf. Sei es der Strombrückenzug oder zum Beispiel der Aufbau des Dommuseums, Kitas, neue Grundschulen.

Es bleibt wie es war – Geld kann man nur einmal ausgeben. Wenn man eine finanziell so schwerwiegende Richtungsentscheidung getroffen hat, muss man auch zu den Konsequenzen stehen. Absurd finde ich die immer mal wieder vorgetragene Behauptung, es gäbe dafür Fördermittel – gemeint sind nur die unabhängig vom Projekt fließenden Mittel für die Straßenunterhaltung, die wir halt letztlich zweckfremd verbraten.

Auch in anderen Bereichen ist Konsolidierung eher kein Thema. Wenn wir nur mal als Beispiel die Ringbeleuchtung betrachten. Abgeschaltet in Zeiten nicht ausgeglichener Haushalte als Teil der Konsolidierung, heute ohne Notwendigkeit angeschaltet und mittels erheblicher Aufwendungen jetzt sogar ein bedeutender Teil unserer Investitionen – eine für die Stadt nicht sinnvolle Maßnahme. Diese Prioritätensetzung ist mir völlig unverständlich. Wieso machen wir das?

Unabhängig von solchen Erwägungen gibt es für die Entwicklung des städtischen Haushalts auch diverse Risiken. Zu geringe, rückläufige Steuereinnahmen, deutlich gestiegene Sozialaufwendung (seit 2013 um 25 % auf nun 228 Millionen €) prägen unser Handlungsfeld. Darüber hinaus könnten wir mehr Spielräume, für kulturelle Projekte, wie die Bewerbung um die Kulturhauptstadt aber auch z.B. für ein stärkeres Engagement der Stadt für mehr Stadtgrün gebrauchen.

Die gestiegene Zuwanderung ist in besonderer Weise eine Herausforderung für unsere Gesellschaft. Hier geht es auf Dauer um mehr als Unterbringung, nämlich um Integration in die städtische Gemeinschaft. Dies erfordert unter anderem auch eine angemessene finanzielle Unterstützung durch das Land. Es ist deutlich erkennbar, dass die ursprünglich auf 8.600 € festgesetzte Landespauschale die tatsächlichen Aufwendungen nicht decken wird. Mittel- und langfristig bietet die Zuwanderung, so uns die Integration denn auch tatsächlich gelingt, Chancen für die Entwicklung der Stadt – auch in wirtschaftlicher, finanzieller und kultureller Hinsicht. Diese Chancen gilt es zu nutzen.

Bevor ich nun an einigen konkreten Anträgen noch einzelnen Positionen und Handlungsfelder umreißen will, lassen sie mich noch einige allgemeinere Bemerkungen zum Haushaltsentwurf und der Praxis der Beratung im Stadtrat machen.

Das Haushaltsrecht, also die Bestimmung, wie mit den Finanzmitteln der Stadt umgegangen werden soll – welche Prioritäten wir also für die zukünftige Entwicklung Magdeburgs setzen, ist die wichtigste Funktion des Stadtrates. Sie wird jedoch kaum wahrgenommen. Wir diskutieren hier eher über Marginalien. Der Gesamtumfang der gestellten Änderungsanträge kommt über den Promill-Bereich nicht hinaus. Das liegt unteranderem auch an der weitgehend intransparenten Darstellung des Haushalts.

Ich verdeutliche es mal am Beispiel des „Teilergebnishaushalt Bereich OB“, weil er ganz vorn im Haushalt steht. Er umfasst ordentliche Aufwendungen von etwa 9,4 Millionen €. Davon sind „sonstige ordentliche Aufwendungen“ 5,2 Millionen €. Also etwa 56 % sind nicht näher erläutertes „Sonstiges“. Der Rest ist Personal und „Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen“. So nun beantworten sie mir mal die Frage, ob das ein angemessener und sinnvoller Haushaltsansatz ist.

Diese Situation zieht sich weitgehend durch den gesamten Haushalt. Erläuterungen sind nicht vorhanden oder nur schütter. Wenn man nachfragt, habe ich im KRB getan, ist eine spontane Auskunft häufig nicht möglich. Sie wird zwar freundlich nachgereicht - ein sinnvolles Arbeiten mit dem Entwurf ist so aber nicht gegeben.

Es ist für die Mitglieder des Stadtrates extrem schwer Handlungsoptionen zu erkennen. Die Verwaltung ist leider auch überhaupt nicht bemüht, solche Optionen aufzuzeigen und den Stadtrat in die Lage zu versetzen zu entscheiden - es wird auf das weitgehende Durchwinken gesetzt.

Hinzu kommt, dass die Stadtverwaltung auch getroffene Beschlüsse, die ihr irgendwie nicht genehm sind, schlicht ignoriert. Ein Beispiel dafür ist die beschlossene Fortführung des Elberadweges zwischen Thüringer Straße und Kieler Straße. Man sucht das beschlossene Projekt nach wie vor vergebens im Haushalt.

Es liegt aber nicht nur an der „zurückhaltenden“ Informationspolitik der Stadtverwaltung, es liegt auch an der Diskussions- und Beratungskultur im Stadtrat. Für den KRB-Bereich hatte ich mir etwa ein Dutzend Fragen vorgenommen, nach Frage drei wurde der Ausschuss unruhig. Eine wirklich inhaltliche Bearbeitung des Haushalts als Fachausschuss haben wir da schlicht nicht vorgenommen. (Der Grund für den überraschenden Anstieg der Leerstandsflächen beim KGM um 25 % innerhalb eines Jahres, blieb den Ausschusskollegen so verborgen.) Ich befürchte das resignierte Durchwinken ist in vielen Fachausschüssen Praxis.

Ein weiterer Punkt ist der Umgang mit Deckungsquellen. Auf Wunsch der Fraktionen von CDU und SPD wurde in unserer Geschäftsordnung eine recht scharfe Regelung zur Benennung von Deckungsquellen verankert. Wenn wir die tatsächlich anwenden würden, könnten faktisch alle Anträge von CDU und SPD von der Tagesordnung genommen werden.
Mal als Beispiel: 5 neue Stellen beim Vollzugsdienst (Antrag 28). Angegebene Deckungsquelle: „Die Deckung erfolgt im Rahmen der Ansätze für Personalkosten der Stadtverwaltung.“ Was heißt das? Soll irgendwer andernorts entlassen werden? (Albern wird die „Deckungsquelle“ wenn man weiß, dass wir ja schon jetzt weniger Personalkosten einplanen als wir tatsächlich Stellen im Plan haben, da wir viele Stellen unbesetzt lassen.)

Weitere Highlights: Antrag 29 (“Budget 6“), Antrag 30 („aus Mitteln des Tiefbauamtes“). Zum Teil wird gänzlich auf eine Bemerkung dazu verzichtet. Selbst der OB hüllt sich da schon mal in Schweigen. Die Deckung der Mehrkosten für die Werkstraße in Höhe von immerhin 288.000 € wird im Antrag 36 keines Wortes gewürdigt.

Eigentlich müsste mit jedem Antrag eine konkrete Angabe verbunden sein, in welcher Kostenstelle Einsparungen erfolgen oder Mehreinnahmen erwartet werden. Bei unveränderten Kostenstellen müsste erläutert werden, wieso die Mehraufgaben da bewältigbar sind. Mangels konkreter Untersetzung der Haushaltsstellen ist das häufig allerdings tatsächlich für den Stadtrat nicht leistbar.

Ich will die Forderungen an uns als ehrenamtliches Gremium nicht zu hoch ansetzen, würde mir aber eine konkretere Arbeit mit dem Haushaltsplan wünschen.

Um den Stadtrat zukünftig besser in die Lage zu versetzen, mit dem Haushalt zu arbeiten, bräuchte er auch einen besseren Zugang zu Informationen. Im Land kann man zu jeder Haushaltsstelle laufend sehen, wie diese sich tatsächlich entwickeln. Unser Antrag 16 versucht eine solche Transparenz auch im kommunalen Haushalt zu erreichen. Auf größere Gegenliebe ist er im Ausschuss bisher nicht gestoßen.

Meine Fraktion hat zum Haushaltsentwurf in unterschiedlichen Handlungsbereichen diverse Änderungsanträge gestellt. Wir haben uns dabei bemüht auch jeweils ordnungsgemäß Deckungsquellen zu benennen, in einigen Anträgen haben wir aber den von den großen Fraktionen vorgelebten Standard leider dann auch selbst angewendet.

Ganz grundsätzlich sehen wir Umsteuerungsbedarf im Bereich der Stadtentwicklung und des Verkehrs. Hier geht es nicht um ein ideologisches Gegeneinander verschiedener Verkehrsträger, sondern darum, den Träger-Mix so zu beeinflussen, dass die für eine Großstadt verträglicheren Verkehrsarten gestärkt werden und so die Lebensqualität in der Stadt steigt. Es erwies sich in Magdeburg in der Vergangenheit als sehr schwer, Mehrheiten für bessere Bedingungen im ÖPNV und beim Fuß- und Radverkehr zu erreichen.

Einige unserer allein oder aber interfraktionell gestellten Anträge befassen sich mit dieser Thematik und wollen da Änderungen erreichen. Das geht vom Radverkehrsbeauftragten, über die Öffentlichkeitsarbeit für den Radverkehr, über das Fahrradparkhaus, die Förderung der Radverkehrsinfrastruktur bis zur konkreten Einrichtung von Radfahr- und Schutzstreifen. Letztlich bedürfte es einer vollständigen Umsetzung der Maßnahmen aus dem Radverkehrskonzept. Magdeburg hat da Vieles aufzuholen.

Der Bau des 650.000 € teuren Flugzeughangars ist hingegen eine Maßnahme, die uns unnötig erscheint und an den Realitäten vorbeigeht. Hier schlagen wir eine Streichung vor. Ähnliches gilt für die Ringbeleuchtung. Fehlende Beleuchtung ist nicht auf der Schnellstraße, sondern an Fußwegen ein Problem. Da stimmt die Prioritätensetzung nicht. Dem Denkmalschutz würden wir gerne eine größere Priorität einräumen und schlagen da einen Stellenaufwuchs vor.

Erfreulich ist Magdeburgs Engagement im Rahmen des Masterplans 100 % Klimaschutz, wo wir in den nächsten 4 Jahren 960 T€ erhalten und einen 20%igen Eigenanteil tragen. Ein Schritt in die richtige Richtung.

Ein anderer wesentlicher Punkt ist die Integration von Flüchtlingen. Hier sieht der Haushaltsentwurf bereits deutliche Aufwüchse vor. Wir Bündnisgrüne wollen zusätzlich eigene Aktivitäten der Stadt Magdeburg mit dem Ziel der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und wollen da zwei neue Stellen schaffen. Mehrbedarf sehen wir insoweit aber auch in der sozialen Arbeit. So schlagen wir vor die Unterstützung der ehrenamtlichen Genderarbeit zu erhöhen. Auch die auskömmliche Finanzierung der AIDS-Hilfe hat durchaus einen Bezug zu dieser veränderten Situation.

Gerne wollen wir bürgerschaftliches Engagement und Elemente demokratischer Teilhabe stärken. Vor diesem Hintergrund schlagen wir die Schaffung eigener Budgets für Ortschaftsräte vor. Den Vorschlag der Linken, nach 15 Jahren die GWA-Mittel zu erhöhen, werden wir mittragen.

Damit will ich es bewenden lassen, Details können ja zum jeweiligen Antrag diskutiert werden. Insgesamt spiegelt der Haushaltsentwurf in vielen Punkten nicht die Ansichten und Vorstellungen meiner Fraktion wieder.

Wir werden – das ist wenig überraschend - unser Abstimmungsverhalten von dem Ergebnis unserer Änderungsanträge abhängig machen.

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

gez. Olaf Meister
Fraktionsvorsitzender



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Haushalt | Reden