Tom Assmann zur Aktuellen Debatte in der Stadtratssitzung am 17.08.2017 "Sicherheit auf öffentlichen Plätzen in der LH Magdeburg"

18.08.17 –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Stadtrat Tom Assmann zur Aktuellen Debatte in der Stadtratssitzung am 17.08.2017 "Sicherheit auf öffentlichen Plätzen in der LH Magdeburg"wir sprechen heute über die Sicherheit auf öffentlichen Plätzen. Die beiden Sachverhalte, die heute zur Debatte stehen, sind in ihren Grundeigenschaften sehr verschieden. Deswegen wird heute die Rede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zweigeteilt sein.

Wenn wir heute über den Hasselbachplatz als Zentrum des Nachtlebens reden, reden wir nicht nur über Sicherheit, sondern über einen Wirtschafts- und Standortfaktor der Stadt. Wie die Studie „Stadt nach Acht“ der HafenCity-Universität feststellt, ist ein attraktives Nachtleben ein Anspruch an den Lebensraum Großstadt. Es ist umso wichtiger für eine Stadt, die junge Menschen nach Magdeburg locken will und junge Leute zum Hierbleiben bewegen will, denn sie fordern genau dies ein. Ich bin noch jung und  ich höre es landauf landab, ob in Magdeburg oder außerhalb, dass in dieser Stadt nichts los sei. Wenn man sich hier erst einmal eingelebt hat, stellt man fest, das ist nicht immer richtig, aber das ist ein riesengroßes Vorurteil. Wenn ich mir die Maßnahmen anhöre, habe ich das Gefühl, ich muss mir diese Vorurteile wohl in Zukunft noch häufiger anhören.,

Es geht hier aber nicht nur um junge Menschen. Auch viele andere Gruppen wollen das Abend- und Nachtleben genießen. Dessen Gewährleistung ist eine Zentrumsfunktion einer Großstadt. Die Attraktivität drückt sich dabei aus in dem Grad an Freiheiten und Angeboten, den möglichst viele Menschengruppen haben, vor Ort ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist das, was diesen Ort auszeichnet. Der Hasselbachplatz ist ein sozialer Raum, ein öffentlicher Raum.

Das wichtige ist aber, dass wir heute nicht nur aus der Perspektive der besorgten Anwohner sprechen, die es da definitiv gibt. Wir müssen heute auch über die Perspektiven vieler anderer Menschen in Magdeburg sprechen, die genau diesen Treffpunkt im Zentrum von Magdeburg haben wollen. Dafür gibt es das Zentrum, gibt es den Hasselbachplatz. Der Hassel ist am Abend der Treffpunkt von Menschen aus der ganzen Stadt, aus der Region und sogar noch darüber hinaus. Das ist eine wesentliche Bedeutung davon.

Diese Funktion des sozialen Austausches gilt es zu fördern. Am Hassel kann noch reale Kommunikation fernab der Social-Media Filterbubble stattfinden. Es wäre doch schon sehr schizophren, wenn Sie diese Funktion durch Verbote begrenzen wollen und sich auf der anderen Seite darüber aufregen, dass Menschen sich durch Facebook & Co. nicht mehr kennenlernen.

Wenn aber nach und nach soziale Räume, Treffpunkte, Bänke, wo man sich hinsetzt und trifft, abgeschraubt werden sollen, frage ich mich, wo können sich die jungen Leute noch in der realen Welt treffen? Es ist ein essenzielles Bedürfnis von Menschen, sich zu treffen und auszutauschen. Diese Bedürfnisse müssen wir ernst nehmen. Mit diesen Bedürfnissen müssen wir lernen umzugehen.

Das Problem der Sicherheit des Hasselbachplatzes, was besteht, ist sinnvoll anzugehen und zu überlegen, was die Ursachen sind. Wie können wir die Ursachen beseitigen, dass wir den sozialen Raum verbessern, dass wir eine Durchmischung erzeugen, dass sogar mehr Menschen dorthin kommen und eine soziale Kontrolle der Gruppen untereinander erzielen. Das muss das Ziel sein, um einen attraktiven und sicheren Hassel zu haben und nicht Gruppen dort auszugrenzen. Deswegen halten wir als Grüne wenig von den Vorschlägen, die bisher im Bereich Alkoholverbot vorgebracht wurden. Es ist zum einen eine Schaufensterdebatte. Herr Platz hat eindrucksvoll und fundiert dargelegt wie schwer die Umsetzung ist. Aber auch andere Dinge müssen wir uns anschauen. Wenn am Hassel Alkoholkonsum im öffentlichen Raum verboten wird, hätte es die Folge, dass die sich dort treffenden Menschen woanders hingehen. Wir haben 13 Schwerpunkte aktuell. Menschen möchten sich weiterhin treffen, Bier trinken oder Wasserpfeife rauchen. Dies sind Bedürfnisse des Menschen, die können wir nicht klein reden. Das heißt aber auch, dass vielleicht die Anzahl der Probleme woanders zunimmt. Die Bedürfnisse sind da, die müssen wir ernst nehmen. Dort haben wir sie zentriert und können sie zentral besser angehen als sie dezentral zu verteilen.

Ein anderer wesentlicher Punkt bei Alkoholverbot ist, dass der Hassel eine Versorgungsfunktion für ein weites Umfeld hat. Mit Verboten beeinträchtigen Sie stark WG-Partys, Grillrunden im Stadtpark oder das abendliche Sitzen an den Elbtreppen, die wesentliche Pfeiler der Ausgehkultur Magdeburgs sind.

Zuallerletzt ist eine Verbotspolitik sozial mehr als fragwürdig. Sie schließt all die Menschen vom Nachtleben am Hassel aus, die sich einen Besuch der Kneipe weder leisten können und wollen. Wir sollten eine Inklusion fördern, eine Durchmischung der Bevölkerungsschichten von Magdeburg fördern an einem Ort, wo tatsächlich noch das Leben zumindest abends zusammen kommt. Wir sollten mehr Bevölkerungsschichten dazu bringen, den Abend dort zu verbringen, als weniger, so aber aktuell der Vorschlag der Stadt.

Wenn wir uns ganz konkret das Problem vor Ort anschauen, sprechen wir primär über die Ecke Hasselbachplatz/Liebigstraße. Da stehen sehr viele Menschen, die sich treffen, Bier trinken und die sehr dicht und eng zusammen stehen. Es gibt keine Ausweichmöglichkeiten. Kämpfen und streiten sich um die letzten unbequemen Sitzbänke vor Ort. Anstatt ihnen mehr Raum zu geben, soll es weniger geben. Diese Ecke ist tatsächlich problematisch. Den Hassel selbst empfinde ich nicht als unsicher. Man hat das übliche Grundrauschen. Ich geh auch gern mit internationalen Gästen hin und auch Bekannte wohnen dort immer noch sehr gern. Es ist weit davon entfernt ein Moloch an Sicherheitsdefiziten zu sein, wie es hier heute beschrieben wurde.

Deshalb haben wir als Grüne Vorschläge gemacht, die für viele hier offensichtlich nicht intuitiv erscheinen, sondern sogar widersprüchlich.

Wir wollen mehr Bänke als weniger. Es hat den Hintergrund, dass, wenn wir eine Stelle haben, wo ganz viele Menschen sitzen, sich drängeln, Konflikte erzeugt werden. Es wird natürlich laut. Gibt es aber mehr öffentliche Treffpunkte, mehr Sitzgelegenheiten, dann können wir Gruppen entzerren und somit die Konflikte entspannen. Damit besteht die Möglichkeit, dass es dort sicherer wird.

Dazu gehören für uns aber auch bessere Sitzgelegenheiten. Sitzgelegenheiten, wo sich Menschen in ihrem Sitz- und Aufenthaltsbedürfnis ernst genommen fühlen, fördern auch eine ruhige und entspannte Stimmung. Sitzgelegenheiten, wo man sich gegenüber sitzt und sich unterhalten kann, so wie im Wohnzimmer. Denken sie über Liegen nach oder ähnliches. Vielleicht ist auch eine Einbeziehung der Menschen, die sich am Hassel treffen, bei der Gestaltung des Platzes sinnvoll. Welche Voraussetzungen sollen geschaffen werden, damit Ruhe herrschen kann und trotzdem den Bedürfnissen der Treffen nachgekommen werden kann.

Weiterhin wollen wir mehr Gastroflächen. Im Sommer finden Sie draußen häufig keinen Platz in der Kneipe, besonders freitags und samstags, aber auch mittwochs und donnerstags. Es wird ziemlich eng hier draußen. Warum schaffen wir nicht mehr Fläche. Dann können mehr Menschen zum Hassel kommen und die Menschen, die hier rumstehen, noch in die Kneipe gehen. Der Kneipier hat ein besseres Geschäft und die andere Konfliktsituation ist auch besser gelöst.

Und wenn ich viele Menschen im öffentlichen Raum habe, brauche ich eine öffentliche Toilette. Wir bauen zur Bedürfnisbefriedigung der Bürger Tunnel, Kitas und Brücken. Da wird es doch einfach sein, grundlegende Bedürfnisse nach einer Toilette zu befriedigen. Wie Modelle für Ausgehviertel aussehen können, können Sie sich z. B. in Dresden auf der Alaunstraße anschauen, die auch im stark frequentierten Raum funktionieren.

Wenn wir heute über Sicherheit sprechen, dann sollten wir auch über Licht sprechen. Es gibt in diesem Bereich noch einige dunkle Ecken. Wo es dunkel ist, fühlen sich Menschen unsicher und unwohl. Da fühlt sich auch eine Mutter, die mit ihrem Kind dort lang geht, unwohl. Lassen Sie uns diese dunklen Ecken ausleuchten. So wird die Sicherheit erhöht und schöne Bauwerke werden besser betont. Eine Möglichkeit wäre auch eine Lichtinstallation. Kunst im öffentlichen Raum hat schon immer gut funktioniert, um den Raum aufzuwerten.

Ein wichtiges Anliegen ist auch eine Temporeduzierung. Sie haben auf diesen engen Fußwegen unglaublich viele Konfliktsituationen. Menschen trauen sich nicht auf der Straße mit dem Rad oder anderen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein und sich dann über enge Fußwege quetschen. Abenteuerlich ist zu beobachten, wenn Rollstuhlfahrer dort lang müssen. Das sind Sicherheitsprobleme, und wir reden heute über Sicherheit im öffentlichen Raum. Lassen Sie uns das Tempo senken, wir erhöhen die Verkehrssicherheit und wir mindern dadurch auch den Verkehrslärm. Der positive Effekt von weniger Verkehrslärm ist, dass dann auch die Gespräche leiser werden. Damit verbessern wir offensichtlich die Situation.

Öffentliches WLAN. Niemand kommt zum Hassel wegen kostenlosem WLAN. Das ist ein Mitnahmeeffekt. Es ist Ausdruck einer modernen Gesellschaft, dass sie WLAN hat und ich es nutzen kann. Deshalb mehr davon.

Wenn Sie clever sind, dann nutzen Sie das WLAN auch noch, wie der ÖPNV das in mehreren Beispielen macht. Versuchen Sie damit mehr über die Nutzungsstrukturen und -muster des Hassel zu lernen. Was habe ich für Bewegungsmuster, wo müssen Verbesserungen erzielt werden.

Auch wir als Grüne wollen mehr Kontrollgänge von Polizei und Ordnungsamt. Diese Kontrolle sollte regelmäßig sein und besonders auch zu Fuß durchgeführt werden. Das brauchen wir aktuell. Das ist offensichtlich.

Spannend ist zu sehen, dass da bereits abends ein Mannschaftswagen steht. Das ist mittlerweile Standard und für die Sicherheit der Bürger*innen aktuell erforderlich. Wenn die Polizei und das Ordnungsamt dauerhaft als Freund und Helfer entlang laufen, dann fördern wir die Inklusion, dann erreichen wir, dass wieder mehr Menschen dorthin kommen und sich sicher fühlen. Mit Freund und Helfer meine ich, dass die Polizei bitte nicht bei jedem kleinen Joint, den ein 25jähriger raucht, gleich drohende Kriminalität wittert.

Alle diese Maßnahmen, die wir hier vorschlagen, tragen zu mehr Sicherheit und Lärmminderung bei. Vor allem erhöhen wir die Attraktivität des Hasselbachplatzes. Wir entwickeln uns als Stadt weiter, die Außendarstellung der Stadt wird verbessert und das Gewerbe vor Ort vorangebracht.

Der Hassel ist der Ort des Nachtlebens. Das Nachtleben wird immer laut sein. Wir können versuchen gewisse Spitzen abzumildern, aber er wird immer laut sein. Als Bündnis 90/Die Grünen bekennen wir uns zum Hassel als Ort des Nachtlebens. Jede Person, die dorthin zieht, muss sich im Klaren sein, dass es dort laut ist. Das Interesse der gesamten Stadtbevölkerung ist wichtiger als die Partikularinteressen von harten Geschäftsbetreibern.

Wir bitten Sie um die Zustimmung zu unserem Antrag, weil wir denken, dass es die wirklich einzige sinnvolle Möglichkeit ist, wie wir den Hassel voranbringen können. Wie wir mehr Freiheit und mehr Sicherheit für die Stadt erzeugen können.

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Tom Assmann
Wirtschaftspolitischer Sprecher
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Kategorie

Kultur | Reden | Wohnen